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Nordwind: Kriminalroman (German Edition)

Nordwind: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Nordwind: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Östlundh
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er größer sein als Fredrik. Solange die Kinder klein waren, erschien einem diese Phase endlos. Nun war sie vorbei. Wie oft hatte Fredrik sich diesen Zeitpunkt herbeigesehnt, hatte geglaubt, er würde eine Befreiung sein. Wenn man die Kinder endlich nicht mehr beaufsichtigen und herumkutschieren, sich nicht mehr mit durchnässten Schneeanzügen, verdreckten Hosen, plötzlichen Wutanfällen und der hartnäckigen Verweigerung von simpelsten Aufgaben herumschlagen musste. Jetzt war er sich nicht mehr so sicher.
    Langsam machte er die Tür zu und schlich sich zu Ninni hinein.
    »Hallo, bist du das?«, wisperte sie kaum hörbar im Dunkeln.
    »Hallo. Wie geht’s?«, flüsterte er.
    Er wartete auf eine Antwort, doch sie war bereits wieder eingeschlafen. Leicht enttäuscht zog er sich aus. Kaum war er zu ihr ins Bett gekrochen, merkte er, dass er trotz allem würde schlafen können.

49
     
    Es war halb sieben Uhr morgens. Henrik warf einen Blick über den Hafenterminal. Am Kai lag die Fähre von Destination Gotland. Die obere Hälfte des weißen Schiffes leuchtete in der Sonne, die untere lag im Schatten der Klippen. In langen Schlangen hatten sich bereits die ersten Wagen aufgereiht. Noch mehr fuhren an die Schalterhäuschen, in denen vor Kurzem drei verschlafene Jugendliche vor den Computern Platz genommen hatten.
    Henrik beobachtete die Polizisten, die die Autos anhielten, einen Blick hineinwarfen und nach einer blonden Frau in einem weißen Auto suchten, die gestern Abend brutal …
    Er dachte den Gedanken nicht zu Ende, sondern versuchte ihn in eine andere Richtung zu schicken und nur das zu sehen, was sich direkt vor seinen Augen befand. In Anbetracht dessen, was sich vor den Fenstern des Hotels abspielte, war das nicht einfach. Daran hatten sie sicher nicht gedacht, als sie ihn ausgerechnet hier einquartierten.
    Er wandte sich ab und betrachtete Ellen, die noch im Bett lag. Unter einer hellblauen Decke. Sie schlief. Was an ein Wunder grenzte. Ellen zu sehen machte die Sache leichter und schrecklicher zugleich. Sie war noch da, Ellen war noch da, dachte er. So war das Leben, es war nicht alles vorbei. Das war großartig. Dann dachte er an ihren Schmerz und den Verlust, den sie erlitten hatte.
    Henrik hockte sich in einen Sessel der graubraunen Sitzgruppe und schloss die Augen. Das Zimmer war riesig. Eine gebeizte Tür führte zu einem weiteren Raum, in dem Maria schlief. Oder wach lag und an die Decke starrte. Jedenfalls war kam kein Laut von dort. Eine schlichte Suite. Woraus man schließen konnte, dass sie eine Weile hierbleiben sollten. Auf der Mappe auf dem Schreibtisch stand »Familienzimmer«. Ein Familienzimmer für eine halbe Familie. Vor der Tür wachte ein Polizist.
    Blau und Weiß dominierten den Raum. Neben der üblichen Einrichtung von Hotelzimmern gab es in der Ecke eine kleine Pantryküche. Über dem Bett hing eine gerahmte Fotografie von windgepeitschten Kiefern an einem der Inselstrände. All das war weit entfernt, hinter einer dünnen Gardine verborgen, die in seinem Kopf hing.
    Er hatte eine Schlaftablette genommen und dann ein paar Stunden schlafen können.
    Henrik strich mit beiden Händen über den Sesselbezug. Er wusste nicht, wer er momentan war. Wie wäre er ohne die Schlaftablette und das Beruhigungsmittel gewesen, die sie ihm gegeben hatten? Drei Tabletten in einem kleinen Döschen hatte er bekommen. Er sollte sie nach Bedarf einnehmen. Wer würde er ohne sein? Was genau würde er empfinden? In seinem Innern schien es verschiedene Stockwerke zu geben, und er befand sich zurzeit offenbar irgendwo in der Mitte und konnte nicht bis ins Erdgeschoss sehen. Gleichzeitig sagte ihm etwas, dass man dort nicht leben konnte. Die Luft war verseucht.
    Er blickte aus dem Fenster in den Himmel, der hellgrau war. Vielleicht, weil es so früh am Morgen war. Vielleicht, weil es bewölkt war. Vielleicht, weil er die Welt so sah. Er wusste es nicht. Oder hing schlicht und einfach ein Vorhang vor der Scheibe? Er wollte aufstehen und nachsehen, aber er blieb sitzen.

50
     
    Samstagmorgen. Fredrik war nicht richtig da. Sein Blick war trüb und sein Hinterkopf schwer wie Blei.
    Er war nicht der Einzige, der müde war. Das merkte man an den Bewegungen, als sie sich setzten. Man spürte jedoch auch den Drang, endlich loszulegen und weiterzukommen. Sara tippte mit dem Kuli auf ihren Notizblock, und Ove rieb sich mit beiden Händen das Gesicht, als müsse er seine Morgentoilette nachholen. Gustav hatte sich über

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