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Nore Brand 03 - Racheläuten

Nore Brand 03 - Racheläuten

Titel: Nore Brand 03 - Racheläuten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marijke Schnyder
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Obergericht und Universitätsgebäuden Richtung Stadtbach, dort wo die Firma lag, in der wieder ermittelt werden musste. Sie schätzte die Luftlinie auf 300 Meter und doch würde sie in eine vollkommen unbekannte Welt eindringen. Die einzigen Koordinaten waren die Verhaltensweisen der Menschen. Das war ihr Kompass, er funktionierte überall, in welcher Welt sie sich auch bewegte.

    Sie warf einen Blick auf die Uhr.
    Nun war es an der Zeit, sich mit den Dossiers vertraut zu machen.

    1 Zeitglockenturm, ein mittelalterlicher Uhrturm

3 Ein Traum
    Max Lebeau schloss die Fenster seines Büros.
    Der Lärm der gigantischen Baumaschinen, die oberhalb des Berner Hauptbahnhofes den Boden aufrissen, übertönten das Rauschen des Herbstwindes in den hohen Laubbäumen und alle Geräusche der Umgebung.
    An guten Tagen gelang es ihm mithilfe seiner Vorstellungskraft, das unablässige Rauschen des Straßenverkehrs in fernes Meerestosen umzuwandeln. Man musste leben lernen damit. Man konnte sich ein Vorbild an den Stadtvögeln nehmen. Sie waren nicht weggezogen, sie hatten den Kampf aufgenommen und ihre Kommunikation dem Lärmpegel angepasst. Sie pfiffen lauter, und ihre Töne waren höher und schwangen sich über den Lärm hinaus. Nur so war ihr Leben hier möglich.
    Lebeau drückte seine Stirn an das kalte Glas und schloss die Augen. Eine Weile blieb er so stehen, dann kehrte er zum Schreibtisch zurück.
    Er sah Federico Meier vor sich. Er erinnerte sich an den Tag, als Oskar Schmied seinen Enkel in der Firma präsentierte. Alle waren verblüfft. Keiner hatte von diesem jungen Mann gewusst. Plötzlich war er einfach da. Sein Großvater strahlte. Er hatte ihn wie der Zauberer das Kaninchen aus dem Zylinder hervorgeholt.
    Oskar Schmied war aufgeblüht. »Mein Enkel Federico wird in die Finanz einsteigen. Da müssen wir uns gut aufstellen, bevor wir in der höheren Liga mitspielen. Wir sind nur einen Schritt davon entfernt«, hatte er stolz verkündet. »Federico kann das.«
    Für die unangenehmeren Seiten des Enkels war der Großvater blind gewesen.
    Max Lebeau sah dieses Grinsen wieder vor sich, es war das selbstgefällige Grinsen des Gewinners, das keiner aushalten konnte, dem es galt.
    Seine Kopfschmerzen hatten auch damit zu tun. Es begann immer mit diesem Augenflimmern. Die Welt löste sich in Spiralen auf, dann kamen die Schmerzen, sie setzten vorn ein, direkt hinter der Stirn und breiteten sich von dort mit langsamer Grausamkeit im ganzen Schädel aus. Sobald der Schmerz ihn im Griff hatte, ging das Augenflimmern zurück und löste sich auf.
    Die Schmerzen blieben und ließen sich nur schwer mit Medikamenten lindern. Ihm war, als ob dieser Schmerz nicht zu vertreiben war, weil seine Ursache von außen kam. Wie ein Feind, der in seinen Körper eindrang und ihn erst Stunden später wieder losließ.
    Er hatte sich daran gewöhnt. Mit Schmerzen im Kopf konnte man noch etwas tun, auch lesen vielleicht, doch wenn Spiralen im Gesichtsfeld kreisten, war es vorbei damit. Dann gab es nichts als abwarten.
    Max Lebeau lockerte seine Krawatte und öffnete die obersten Knöpfe seines Hemdes.
    Die Spiralen bewegten sich von den Rändern seines Gesichtsfelds langsam in die Mitte, bis alles verzerrt schien.
    Die Spiralen erfassten auch die inneren Bilder. Meiers Grinsen, über ihm der seiltanzende Bär im dichten Herbstnebel. Das schwache Licht der Straßenlaternen, der Bus, der hinter ihm in den Grossen Muristalden einbog und im Nebel verschwand. Lebeau sah Meiers höhnisches Grinsen; er war ihm so nah gekommen, viel zu nah.
    Max Lebeau ballte seine Fäuste und begann zu schwitzen; er rollte den Stuhl zurück, legte die Beine auf den Schreibtisch und kippte den Stuhl so, dass er ausgestreckt lag wie in einem Bett.
    Er schloss die Augen. Er spürte den gewaltigen Holzbalken des Dachstuhls über sich. Ein kräftiger Balken. Er bewegte den Kopf, um den schrecklichen Gedanken zu vertreiben. Vergeblich.
    Er konnte sich nicht daran erinnern, wer ihm dieses Büro zugeteilt hatte nach der Renovierung. Er wusste nicht, wem er zu Dank verpflichtet wäre.
    Lebeau zwang sich, laut zu lachen, er musste sich lachen hören, um diesen idiotischen Gedanken aus seinem Kopf zu vertreiben. Es war so fürchterlich still. Dabei hatte er genau das gewollt. Er hatte seine Assistentin gebeten, keine Anrufe durchzustellen.
    »Ich brauche eine Stunde Ruhe, Frau Brändli.«
    »Gut«, hatte sie gesagt und weitergetippt. Sie sah nie auf, wenn sie antwortete.
    Doch auf

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