Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Northanger Abbey

Northanger Abbey

Titel: Northanger Abbey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
Vom Netzwerk:
angehen.« – Diese Leier tönt aus aller Munde. – »Was lesen Sie denn da, Miss – –?« »Ach, nur einen Roman«, erwidert die junge Dame und legt mit gespielter Gleichgültigkeit oder jäh aufwallender Scham ihr Buch beiseite. – »Das ist nur
Cecilia
, oder
Camilla
, oder
Belinda «
9 – kurzum, nur irgendeins dieser Werke, in denen sich die höchsten Kräfte des Geistes offenbaren und der Welt in geschliffenster Sprache tiefgreifendste Kenntnis der menschlichen Natur, gelungenste Schilderungen ihrer vielfältigen Spielarten und lebhafteste Ergüsse von Witz und Humor darbieten. Wäre nun selbige junge Dame in der Lektüre des
Spectator
begriffen, wie stolz würde sie dann ihr Buch herzeigen und seinen Titel nennen; auch wenn ihr kaum vergönnt sein dürfte, einen Teil dieser umfänglichen Publikation vor sich zu haben, der eine junge Frauvon Geschmack nicht abstoßen muß, sei es durch seinen Inhalt oder die Form, denn schließlich besteht der Gehalt der Beiträge häufig in einer Aneinanderreihung unglaubhafter Begebenheiten, dazu unnatürlichen Charakteren und Gesprächsstoffen, nach denen heute kein Mensch mehr fragt; und das oft in einer so ungehobelten Sprache, daß man zweifeln möchte an einer Epoche, die dergleichen guthieß.

VI. KAPITEL
    Folgendes Gespräch, das die beiden Freundinnen nach acht oder neun Tagen der Bekanntschaft eines Vormittags in der Trinkhalle führten, veranschaulicht die innige Beziehung der beiden sowie die Feinsinnigkeit, Reflektiertheit, Originalität und literarische Versiertheit, die das Fundament dieser Beziehung bildeten.
    Sie hatten sich verabredet, und da Isabella knappe fünf Minuten vor ihrer Freundin eingetroffen war, lautete ihr erster Ausruf naturgemäß: »Oh, meine Liebste, Beste, was kann dich nur so aufgehalten haben? Ich warte schon seit einer halben Ewigkeit.«
    »Ach je, tatsächlich? Das tut mir furchtbar leid, aber ich dachte wirklich, ich wäre ganz pünktlich. Es ist gerade erst eins. Du bist doch hoffentlich nicht schon lange hier?«
    »Ach! Mindestens zehn Jahre. Eine halbe Stunde bin ich ganz sicher hier. Aber nun komm schnell, setzen wir uns auf die andere Seite und amüsieren uns. Ich muß dir hunderterlei Dinge erzählen. Vorhin hatte ich ja solche Angst, es würde zu regnen anfangen, gerade als ich aufbrechen wollte; es sah so sehr nach einem Schauer aus, und das hätte mich in absolute Qualen gestürzt! Aber hör zu, ich habe jetzt eben in der Milsom Street den bezauberndsten Hut gesehen, den du dir nur vorstellen kannst – ganz ähnlich wie deiner, bloß mit mohnroten Bändern statt grünen; ich hätte ihn am liebsten vom Fleck weg gekauft. Aber, meine liebste Catherine, was hast du nur den ganzen Morgen getrieben? Hast du
Udolpho
10 weitergelesen?«
    »Ja, seit ich heute früh aufgewacht bin; ich bin jetzt schon bei dem schwarzen Schleier.«
    »Da bist du gerade? Wie aufregend! Oh! ich würde dir um keinen Preis verraten, was sich hinter dem schwarzen Schleier verbirgt! Brennst du nicht darauf, es zu erfahren?«
    »O ja, und wie – was kann es nur sein? – Aber verrat es mir nicht – ich will es auf gar keinen Fall verraten bekommen. Ich weiß, daß es ein Skelett sein muß, ich bin ganz sicher, es ist das Skelett von Laurentina. Oh, was für ein wunderbares Buch! Am liebsten würde ich bis an mein Lebensende nichts anderes lesen. Ich schwöre dir, wäre die Verabredung mit dir nicht gewesen, ich hätte mich um nichts in der Welt davon losreißen können.«
    »Liebste, Beste! wie dankbar ich dir bin; und wenn du
Udolpho
fertig hast, lesen wir zusammen den
Italiener
11 ; und ich habe dir schon eine Liste mit noch zehn, zwölf Büchern im gleichen Stil zusammengestellt.«
    »Nein, wirklich! Wie lieb von dir! Was für Bücher sind das?«
    »Ich will dir gleich die Namen vorlesen; hier stehen sie, in meinem Notizbuch:
Schloß Wolfenbach
,
Clermont
,
Geheimnisvolle Warnung
,
Der Geisterbanner vom Schwarzwald
,
Die Mitternachtsglocke
,
Die Waise vom Rhein
und
Schaurige Mysterien
. 12 Damit sollten wir fürs erste auskommen.«
    »Doch, bestimmt – aber sind sie wirklich alle schaurig, bist du sicher, daß sie alle schaurig sind?«
    »Ja, ganz sicher, denn eine sehr enge Freundin von mir, eine Miss Andrews, ein reizendes Geschöpf, eines der reizendsten Wesen der Welt, hat jedes einzelne davon gelesen. Ich wünschte, du würdest Miss Andrews kennen, du wärst hingerissen von ihr. Sie knüpft sich gerade den entzückendsten Umhang, den

Weitere Kostenlose Bücher