Northanger Abbey
Freundin, die sie in jeder nur vorstellbaren Weise dazu ermutigte, auch weiterhin an ihn zu denken; und so erhielt der Eindruck, den er in ihrem Gemüt hinterlassen hatte, keine Gelegenheit, sich abzuschwächen. Isabella war sich ganz sicher, daß er ein bezaubernder junger Mann sein mußte, und ebenso sicher, daß er entzückt von ihrer lieben Catherine war und daher schon bald zurückkehren würde. Daß er Geistlicher war, nahm sie nur noch mehr für ihn ein, denn sie habe »nun einmal eine Schwäche für diesen Beruf, leider Gottes«; und eine Art Seufzen entfuhr ihr, als sie es sagte. Vielleicht tat Catherine unrecht daran, dieser zarten Gefühlsregung nicht nachzugehen – aber sie war zu ungeübt in den Feinheiten der Liebe oder den Pflichten der Freundschaft, um zu wissen, wann sanftes Hänseln geboten war oder wann einem Bekenntnis nachgeholfen sein wollte.
Mrs. Allen war jetzt durch und durch glücklich – durch und durch zufrieden mit Bath. Sie hatte Bekannte gefunden, in Gestalt einer trefflichen alten Freundin und auch noch deren Familie; und um ihr Glück vollkommen zu machen, waren diese Bekannten längst nicht so kostspielig gekleidet wie sie. Ihr täglicher Ausruf lautete nun nicht mehr: »Ichwünschte, wir hätten einen großen Bekanntenkreis hier in Bath!« Jetzt hieß es statt dessen: »Wie froh bin ich, daß wir Mrs. Thorpe getroffen haben!«, und sie förderte den Umgang zwischen den Familien fast noch eifriger als ihre junge Schutzbefohlene und Isabella selbst. Kein Tag durfte vergehen, ohne daß sie und Mrs. Thorpe den Großteil desselben Seite an Seite verbrachten, im Gespräch, wie sie sagten – wobei dieses Gespräch weitgehend ohne Meinungsaustausch auskam und meist auch ohne einen rechten Gegenstand, denn Mrs. Thorpe redete fast nur von ihren Kindern und Mrs. Allen fast nur von ihren Kleidern.
Die Freundschaft zwischen Catherine und Isabella entwickelte sich so zügig, wie es ihrem herzlichen Anfang entsprach, und so blitzschnell durchliefen sie sämtliche Stufen wachsender Zuneigung, daß es bald keine neuen Liebesbeweise mehr gab, die sie ihren Mitmenschen oder sich selbst hätten liefern können. Sie nannten einander beim Vornamen, gingen überall Arm in Arm, steckten einander beim Ball die Schleppe hoch und tanzten immer in derselben Reihe; und wenn ein verregneter Morgen ihnen sonstige Lustbarkeiten verwehrte, ließen sie es sich nicht nehmen, trotz Nässe und Schmutz zusammenzukommen, und schlossen sich miteinander ein, um Romane zu lesen. Ja, Romane, denn ich verweigere mich jener unrühmlichen und unklugen, unter Romanschreibern so verbreiteten Sitte, durch ihr verächtliches Urteil eben die Werke zu schmähen, deren Zahl sie doch selbst vermehren helfen – sie mit so harschen Beiwörtern zu belegen, wie sonst nur ihre ärgsten Feinde dies tun, und es kaum je zuzulassen, daß ihre eigene Heldin sie liest – die, fällt ihr zufällig ein Roman in die Hände, unfehlbar voll Abscheu über das fade Geschreibsel hinwegblättert. Ach! Wenn nicht eine Romanheldin in der anderen eine Fürsprecherin findet, auf wessen Schutz und Wertschätzung soll sie dann hoffen? Nein, ich kann das nicht billigen. Überlassen wir es den Kritikern, über die Gebilde unserer Vorstellungskraft herzufallenund sich anläßlich jedes neuen Romans in abgedroschenen Phrasen über das hohle Geschwätz zu erregen, an dem unsere heutige Presse krankt. Halten wir zusammen; alle miteinander stehen wir unter Beschuß! Obgleich unser Schaffen umfassendere und aufrichtigere Freuden bereitet als das jeder anderen literarischen Zunft auf der Welt, ist doch kein Genre so in Verruf gebracht worden. Sei es Dünkel, Unwissenheit oder einfach die Mode, unsere Gegner sind beinahe so zahlreich wie unsere Leser. Und während tausend Federn das Verdienst des Mannes besingen, der als Neunhundertster eine »Geschichte Englands« kompiliert oder in einem Bändchen ein paar Dutzend Zeilen von Milton, Pope und Prior versammelt und sie mit einem Artikel aus dem
Spectator
und einem Kapitel von Sterne herausgibt, scheinen sich nahezu alle einig in dem Wunsch, die Fähigkeiten des Romanschreibers in Abrede zu stellen, seine Leistung unterzubewerten und generell jene Werke geringzuschätzen, die sich durch nichts hervortun als durch Talent, Geist und Geschmack. »Romane sind nichts für mich – Ich schlage nur ganz selten einen auf – Denken Sie bloß nicht von mir, daß
ich
oft Romane lese – Für einen
Roman
mag so etwas noch
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