Northanger Abbey
stehen würde. Die Gewißheit der beiden, daß der General die Verbindung schon allein aus diesem Grund untersagen würde, völlig ungeachtet der möglichen Einwände gegen Isabellas Charakter, erfüllte sie zudem mit einer recht eigennützigen Besorgnis. Schließlich war sie ebenso unbedeutend und vielleicht ebenso mitgiftlos wie Isabella; und wenn nicht einmal der Erbe des Tilney’schen Besitzes aus sich heraus groß und reich genug war, wo waren dann die Interessen seines jüngeren Bruders anzusiedeln? Gegen die höchst schmerzhaften Betrachtungen, die dieser Gedanke in ihr auslöste, half nur, auf die ganz besondere Vorliebe zu zählen, die sie selbst, wenn die Worte wie auch die Handlungen des Generals irgend etwas bewiesen, vom ersten Moment an in ihm hatte wecken dürfen, und sich der überaus großzügigen und selbstlosen Äußerungen zum Thema Geld zu erinnern, die sie mehr als einmal aus seinem Mund vernommen hatte und aus denen sie die Hoffnung ableitete, seine Kinder könnten seine Haltung in dieser Frage falsch einschätzen.
Immerhin waren die beiden so sicher, daß ihr Bruder nicht die Stirn haben würde, persönlich um die Einwilligung seines Vaters zu ersuchen, und betonten so viele Male, daß mit seinem Auftauchen in Northanger noch nie so wenig zurechnen gewesen sei wie jetzt, daß sie zumindest etwas von ihrer Angst verlor, Hals über Kopf abreisen zu müssen. Doch da Captain Tilney, wann immer er an seinen Vater herantrat, Isabellas Verhalten ganz bestimmt nicht korrekt darstellen würde, schien es ihr dringend geboten, daß Henry dem General das Ganze so schilderte, wie es sich wirklich zugetragen hatte, damit dieser sich ein klares, unvoreingenommenes Urteil bilden und seine Einwendungen durch mehr rechtfertigen konnte als bloße Rangunterschiede. Sie legte ihm diese Maßnahme nahe; aber er ging nicht so dankbar darauf ein, wie sie sich ausgemalt hatte. »Nein«, sagte er, »die Hand meines Vaters braucht keine Stärkung und Fredericks Torheit niemanden, der ihr den Weg bereitet. Er muß seine Geschichte schon selbst erzählen.«
»Aber er wird sie doch nur halb erzählen.«
»Ein Viertel wäre schon genug.«
Ein Tag oder zwei vergingen, ohne daß Nachricht von Captain Tilney eintraf. Seine Geschwister wußten nicht, was sie denken sollten. Bald schien ihnen sein Schweigen die notwendige Folge seiner mutmaßlichen Verlobung, bald schien es völlig unvereinbar damit. Der General indessen beschwerte sich zwar allmorgendlich über Fredericks Säumigkeit im Schreiben, machte sich jedoch nicht ernstlich Gedanken um ihn; seine Hauptsorge war es, Miss Morland ihren Aufenthalt in Northanger angenehm zu machen. In dieser Sache beunruhigte er sich oft und wortreich – befürchtete, das tagtägliche Einerlei der Gesellschaft und der Zeitvertreibe könnte ihr den Besuch verleiden, wünschte, die Lady Frasers wären in der Gegend, sprach zuweilen davon, eine größere Anzahl von Gästen zu Tisch zu laden, und begann ein-, zweimal sogar die jungen Leute in der Nachbarschaft aufzuzählen, die für einen Ball in Frage kämen. Aber es war eine so tote Zeit im Jahr, keine Vögel, kein Wild, und die Lady Frasers waren nun einmal nicht da. Und letztlich lief es darauf hinaus, daß er Henry eines Morgens verkündete, wenn er dasnächste Mal in Woodston zu tun habe, würden sie ihn an einem der Tage dort überraschen und einen Happen mit ihm essen. Henry erklärte sich sehr geehrt und erfreut, und Catherine konnte sich keinen schöneren Plan denken. »Und wann meinen Sie, Sir, daß ich das Vergnügen haben werde? Ich muß am Montag für die Pfarrsitzung nach Woodston und werde danach wohl noch zwei, drei Tage dort beschäftigt sein.«
»Gut, gut, dann wollen wir unser Glück an einem dieser Tage versuchen. Wir müssen es jetzt nicht fest ausmachen; du sollst dir wegen uns schließlich keine Umstände machen. Was immer du gerade im Haus hast, wird uns völlig reichen. Ich bin mir sicher, die jungen Damen werden ein Auge zudrücken, wenn ein Junggeselle sie bewirtet. Laß mich sehen; am Montag bist du beschäftigt, am Montag kommen wir also nicht, und am Dienstag werde ich beschäftigt sein. Vormittags erwarte ich meinen Verwalter aus Brockham mit seinem Bericht, und danach muß ich mich anstandshalber im Club blicken lassen. Ich könnte meinen Bekannten nicht guten Gewissens unter die Augen treten, wenn ich wegbliebe, schließlich wissen alle, daß ich auf dem Lande bin, da würde mir das übel ausgelegt, und
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