Nosferas
Goldketten um den Hals getragen hatten, fehlte jede Spur.
»Geh und wasch dich«, sagte Carmelo in schärferem Ton. »Ich werde ihn durchsuchen, bis ich den Stein habe, und dann hier - aufräumen. Warte im Zimmer auf mich.«
Er riss dem Vampir die Jacke herunter und das Hemd vollends auf. Latona wandte sich ab. Diese Geste kam ihr brutaler vor als Carmelos Stich mit der Klinge ins Herz seines Opfers. Nein, verbesserte sie sich in Gedanken. Der Vampir war der Räuber und die Menschen seine Opfer. Mit raschen Schritten eilte sie zu ihrem Zimmer in dem kleinen Hotel gegenüber der halb verfallenen Kirche San Nicola de Cesarini. Zwei Katzen begrüßten sie und strichen ihr maunzend um die Füße.
Es ist erstaunlich, wie viele Katzen es gibt, dachte sie und konzentrierte sich auf die schwarzen und rötlich gefleckten Fellbündel, um nicht an den blutigen Leib zu denken, den Carmelo nun mit einem weiten Schwung seines Schwertes endgültig zerstörte. Und die Seele befreite?
Sie strich den Katzen über den Rücken und lief dann die Treppe zu ihrem Zimmer hinauf. Das Wasser in ihrer Waschschüssel war längst kalt, doch Latona zog sich nackt aus und wusch sich immer wieder mit dem rauen Lappen. Scheuerte über ihre Haut, die längst vom Blut befreit war und nun rot und wund zu glühen begann. Endlich hielt sie inne, griff nach ihrem Leintuch und trocknete sich ab. Sie hatte gerade ihr dünnes Unterkleid übergeworfen, als Carmelo ohne anzuklopfen ins Zimmer stürmte. Er schien jedoch ihren Aufzug gar nicht zu bemerken.
»Ich habe ihn vom Kopf bis zu den Füßen durchsucht. Nichts! Ich habe mit einer Fackel den ganzen Platz abgeleuchtet. Ebenfalls: Fehlanzeige! Er hat ihn auch nicht bei unserem Kampf verloren.« Carmelo hob die Arme und ließ sie dann wieder fallen. Auf seiner sonst so beherrschten Miene zeichneten sich Verzweiflung, aber auch Wut ab. »Er hatte keinen dieser Rubinanhänger bei sich!«
Latona warf sich einen Umhang über. »Vielleicht haben nicht alle Vampire so einen Stein.«
Carmelo stürmte auf sie zu, packte sie an den Schultern und schüttelte sie unsanft. »Dir ist wohl nicht klar, was das bedeutet? Wir werden kein einziges Silberstück bekommen. Nichts! Der Kardinal bezahlt nur gegen Lieferung.«
Latona löste vorsichtig seine Hände, die sich schmerzhaft in ihre nackten Schultern krallten. »Das ist ärgerlich, aber was können wir dagegen tun? Ich vermute nichts.«
»Nein, nichts!«, rief er aufgebracht. »Wir haben uns in Gefahr gebracht und Rom von einem weiteren Blutsauger befreit für nichts. Wir sind unserer Freiheit keinen Schritt näher gekommen.«
»Dann müssen wir eben noch eine Weile weitermachen«, sagte sie so sanft wie möglich.
»Und was, wenn wir bisher nur Glück gehabt haben? Was, wenn die meisten gar keinen Stein haben und wir Nacht für Nacht umsonst suchen und jagen?«
Latona schlang die Arme um den Leib. Plötzlich fror sie. Gleichzeitig brannte ihre Haut und sie fühlte sich einsam und schutzlos. »Dann bleibt uns nur zu beten und zu hoffen, dass Gott uns auf die richtige Fährte führt.«
Carmelo schnaubte abfällig. »Gott? Doch wohl eher des Teufels Kardinal!«
IN DER FALLE
»Wie jetzt weiter?« Alisa wartete am Ende der Brücke auf Luciano, der schnaufend angerannt kam. Sie versuchte gar nicht, ihre Ungeduld zu verbergen. Wie konnte Ivy noch immer so ruhig bleiben, so als stünde nichts auf dem Spiel!?
»Was steht denn auf dem Spiel? Unsere Ehre in Franz Leopolds Augen?« Ivy lächelte, als sie Alisas fast empörten Blick bemerkte. »Es ist wirklich nicht schwer zu erraten, was du denkst. Du zitterst ja geradezu vor Unruhe. Warum ist es dir so wichtig, ihm deine Überlegenheit zu zeigen?«
Endlich langte Luciano am Ufer an und bog gleich in eine enge Gasse ein. Alisa und Ivy folgten ihm. Seymour rannte mal voraus, drehte dann wieder um und kehrte zu ihnen zurück.
»Das habe ich nicht nötig«, erwiderte Alisa entrüstet. »Es geht hier nicht nur um Franz Leopold, sondern um seine ganze Familie, die sich für etwas Besseres hält und uns mit ihrer Verachtung schmäht.«
»Und dir ist es wichtig, das Bild nach deinen Vorstellungen geradezurücken.« Ivy ließ nicht locker. Alisa achtete kaum mehr auf ihre Umgebung. Die Gassen glichen einander: Sie waren eng und verwinkelt, der Boden mit Unrat verschmutzt. Ratten huschten davon, wenn sich ihre Schritte näherten. Grau und mit blätterndem Putz ragten die Wände der Häuser in den blasser werdenden
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