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Nosferas

Nosferas

Titel: Nosferas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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ihren Onkel zu trösten.
    »Wie bald ist bald? Meinst du nicht, dass Vampire ein anderes Zeitverständnis haben als wir? Sie haben unendlich viel Zeit, aber wir nicht! Uns zerrinnt sie unter den Fingern. Der Kardinal ist außer sich. Er fürchtet, seine Pläne könnten scheitern.«
    »Was kümmern mich die Pläne des Kardinals«, wehrte Latona schroff ab.
    Carmelo stürzte auf sie zu und packte sie hart an den Armen. »Es kümmert dich nicht? Es sollte dich aber kümmern, denn wenn der Kardinal die Beherrschung verliert, könnte es sein, dass er etwas sehr Dummes tut, und dann verlieren wir vielleicht mehr als nur ein paar Beutel mit Geldstücken!«
    Latona wand sich aus seinem Griff. »Und was könnte das sein?«
    Carmelo machte eine verschlossene Miene und zuckte mit den Schultern. »Wer weiß.« Doch sie hatte den Verdacht, dass er sehr wohl eine Vorstellung davon hatte.
    »Vielleicht sollten wir uns mit dem bescheiden, was wir jetzt haben, und unsere Zelte hier abbrechen«, schlug sie vor. »Wer sagt denn, dass wir nicht irgendwo anders weitermachen und von unseren Erfahrungen profitieren können?«
    »Und, woran hast du gedacht?«, fragte Carmelo, trat ans Fenster und drehte ihr den Rücken zu.
    »Paris oder London? Ich würde gerne nach London zurückkehren oder Paris kennenlernen, und ich gehe jede Wette ein, dass man dort Verwendung für uns hätte.«
    Er schwieg lange, zündete sich eine Pfeife an und paffte den Rauch in kleinen Wölkchen ins Zimmer. »Vielleicht hast du recht. Lass mich das nächste Treffen dieser Maskenmänner abwarten. Wenn der Kardinal wieder keinen Auftrag für uns hat, dann werden wir Rom gleich am nächsten Morgen verlassen.«
    »Und wenn doch?«
    »Dann werden wir den Auftrag ausführen, dem Kardinal seinen ersehnten Rubin liefern, unsere Kasse ein letztes Mal mit seinem Geld füllen und danach abreisen.«
     

MISSVERSTÄNDNISSE
     Pius IX. schlug die dicke Daunendecke zurück und schwang die Beine über den Bettrand. Ohne seine Pantoffeln tappte er auf nackten Füßen zum Fenster und schob die schweren Vorhänge beiseite. Wieder einmal fand er keinen Schlaf. Er konnte die Nächte nicht mehr zählen, in denen er wach gelegen hatte. Doch statt müde und ausgelaugt fühlte sich der Papst kräftiger denn je und gerade das bereitete ihm Sorgen. Konnte das normal sein? Er war ein alter Mann! Vielleicht war dies die besondere Gnade Gottes, der mit ihm als seinem Stellvertreter auf Erden noch etwas vorhatte, zu dem Pius all seine irdischen Kräfte brauchen würde?
    Der Mond trat hinter den Wolken hervor und ließ die roten Edelsteine um seinen Hals auf blitzen. Pius IX. strich mit den Fingerspitzen über die perfekt geschliffenen Steine und wieder einmal spürte er Übelkeit in sich aufsteigen. Mit einer hastigen Bewegung zog er die Kette über den Kopf und ließ sie auf das Tischchen unter dem Fenster fallen. Er strich sich über die Haut im Nacken und an der Brust. Es fühlte sich an, als habe er sich von einer unerträglichen Last befreit.
    Der Papst sah in den nächtlichen Garten hinaus. Er dachte an den König und seine Pläne, Rom ein ganz neues Gesicht zu geben, modern wie die Zeiten. Pius war nicht gegen die Moderne und auch nicht gegen den Fortschritt. Hatte nicht er gefordert, dass Rom an das Eisenbahnnetz angeschlossen werden musste und einen Bahnhof brauchte? Pius IX. besaß sogar einen eigenen Zug mit weiß und goldfarben lackierten Waggons! Und war er nicht höchstselbst zur Einweihung der neuen stählernen Zugbrücke über den Tiber gegangen, um mit dem britischen Industrieminister über neue Techniken zu plaudern? Aber das, was der König  plante, war Blasphemie! Eine Sünde am alten Rom! Nicht nur dass er mit seinen neuen, breiten Straßen rücksichtslos wie ein Sturm Schneisen durch die alten Viertel aus Häusern und Ruinen schlagen wollte, er plante, sich selbst zu Ehren ein Monument zu bauen, das alle Vorstellungen übertreffen sollte. Der Papst hatte nichts gegen ein Denkmal und ein wenig Selbstverherrlichung einzuwenden, doch dieses Monument zu Ehren Vittorio Emanueles sollte vor dem Kapitolhügel in die Höhe wachsen. So wie das alte Zentrum Roms den Blicken entschwinden würde, sollte es aus dem Gedächtnis der Römer getilgt werden, um nur noch dem neuen König und seiner Macht zu huldigen! Trotz seines Zorns spürte der Papst Müdigkeit in sich aufsteigen. Pius IX. gähnte und ging zum Bett zurück. Kaum hatte er sich in seine Kissen zurückgelehnt, als er auch

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