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Nosferas

Nosferas

Titel: Nosferas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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wie ein Kind. Seltsamerweise fühlte Latona nur kalte Entschlossenheit. Für Angst und Tränen war jetzt nicht die rechte Zeit. Sie musste handeln, und zwar schnell, wenn sie lebend aus dieser Sache herauskommen wollten. Sie hatte den ganzen Abend schon so ein schlechtes Gefühl gehabt, aber Carmelo vergeblich gedrängt, endlich aus Rom abzureisen.
    »Nur noch ein Auftrag«, lautete die immer gleiche Antwort. »Nur noch ein Beutel Geld.«
    Nun hatte ihn der Aufschub fast das Leben und - vielleicht noch schlimmer - seine Seele gekostet und auch Latona hätte von der weißen Bestie leicht in Stücke gerissen werden können. Es war ihr, als spüre sie noch immer seine Reißzähne an ihrer Kehle und seinen heißen Atem in ihrem Gesicht. Sein Speichel klebte an ihrem Hals und in den Rüschen ihres Kleides. Latona spürte das unbändige Drängen, sich mit heißem Wasser und Lauge zu schrubben, doch solche Nebensächlichkeiten mussten bis später warten. Bis sie in Sicherheit waren.
    »Onkel Carmelo, mach dich bitte nicht so schwer! Ich kann dich nicht länger halten, also reiß dich zusammen!«, herrschte sie ihn an.
    Er blieb stumm und starrte nur aus weit aufgerissenen Augen vor sich hin. Sah er sie überhaupt? Sein Schweigen vertiefte ihre Sorge. Das war nicht seine Art. Er hätte schimpfen und fluchen müssen, Rache schwören oder zumindest über Schmerzen klagen. Doch immerhin richtete er sich ein wenig auf und ging nun  schneller. Latona dirigierte ihn am Teatro des Marcello vorbei und dann durch die verwinkelten Gassen zu ihrer Unterkunft hinter der Kirche San Nicola de Calcario. Als sie in die Halle traten, hatte sich Carmelo so weit erholt, dass er allein die Treppen erklimmen konnte.
    »Setz dich einfach hier aufs Bett«, sagte sie, als es ihr endlich gelungen war, das verrostete Türschloss zu öffnen. »Ich werde die wichtigsten Sachen zusammenpacken.« Mit leisem Bedauern ließ sie ihre Kleider, Hüte und Handschuhe an ihrem Platz und stopfte stattdessen nur die Lederbeutel mit dem Geld und ein paar Wäschestücke in die kleinste ihrer Reisetaschen. Sie zog gerade ein frisches Hemd aus der Truhe, um es Carmelo zu geben, als sie mitten in der Bewegung innehielt. Das weiße Seidenhemd flatterte zu Boden. Latona hatte kein Geräusch von der Treppe her vernommen, und dennoch wusste sie mit allen ihren Sinnen, dass sie dort draußen waren. Das junge Mädchen wich zurück, bis seine Beine gegen die Kante eines Sessels stießen. In stummem Entsetzen starrte Latona auf die Türklinke, die sich langsam senkte.
     
    Wie Alisa gesagt hatte, war der Schnitt über ihrer Brust zwar lang, aber nicht sehr tief. Das Silber hielt die Wunde allerdings offen und führte dazu, dass sie eine Menge Blut verlor, bis sie die Domus Aurea erreichten. Hindrik trug sie sofort zu ihrem Sarkophag und schickte Ivy, um Blut zu holen. Signora Zita kam gleich mit einem schwer beladenen Tablett und blieb so lange neben Alisas Sarg stehen, bis sie alles leer getrunken hatte. Sie beugte sich vor und tätschelte ihr mütterlich das Haar.
    »Nun schlaf schön, meine Liebe, dann wird es bald heilen.«
    Sie eilte davon und scheuchte auch Ivy und den Wolf aus dem Zimmer, damit Alisa ein wenig schlafen könne. Als ob sie sich jetzt einfach zur Ruhe hätte legen können! Der Morgen war noch fern, und sie war so aufgewühlt, dass sie im Zimmer auf und ab  gegangen wäre, hätte die Wunde nicht noch immer geblutet und höllisch geschmerzt. So war sie gezwungen, still dazuliegen und über die Ereignisse der Nacht nachzugrübeln.
    Ein leises Rascheln von der Tür her ließ sie über den Rand des offenen Sarkophags spähen. Lucianos pausbäckiges Gesicht lugte durch den Türspalt. Als er sich von Alisa entdeckt sah, fuhr er zurück.
    »Komm herein!«, rief sie, froh, endlich mit jemand reden zu können, und erleichtert, dass ihm offensichtlich nichts zugestoßen war. Zaghaft schob Luciano die Tür auf und trat ein, blieb aber dicht an der Wand stehen und senkte den Blick.
    »Was ist?«, drängte Alisa. »Bist du verletzt worden?«
    »Nein«, sagte er kaum hörbar.
    »Komm näher, es tut weh, wenn ich mich so verrenken muss, um dich zu sehen.«
    Er folgte der Aufforderung, ließ aber noch immer den Kopf hängen und wagte nicht, ihr in die Augen zu sehen. »Ist es sehr schlimm?«, fragte er schließlich.
    Alisa wollte mit den Schultern zucken, ließ es aber lieber sein, da der Schmerz in heißen Wellen durch ihren Körper fuhr. »Nein. Es ist nicht tief, wird

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