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Nosferas

Nosferas

Titel: Nosferas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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außergewöhnlich schön«, gab Alisa zu.
    »Ja«, sagte Chiara bedrückt. »Und du solltest erst mal ihren Bruder sehen! Franz Leopold. So ein widerlicher Kerl!«
    Alisa hob fragend die Augenbrauen, als Chiara plötzlich aufstöhnte. Sie folgte ihrem Blick, und obwohl sie gewarnt war, fühlte sie ein seltsames Flattern in sich, als der Vampir, vom warmen Schein der Lampen eingehüllt, mitten in der Halle stehen blieb. Seine Miene war unbeweglich, nur seine dunklen Augen glitten wachsam umher. Alisa entschlüpfte ein kleiner Seufzer.
    Chiara nickte verständnisvoll. »Ja, aber lass dich durch sein Gesicht nicht täuschen und sprich ihn lieber nicht an. Er hat meinen Vetter Luciano gestern schwer beleidigt. Er ist boshaft und gemein!«
    In diesem Moment wandte sich Franz Leopold ihnen zu. Chiara schlug die Augen nieder.
    Ich kann kaum glauben, dass jemand äußerlich von solcher Schönheit ist und innerlich ein solches Scheusal, wie Chiara behauptet, dachte Alisa und spürte einen dumpfen Druck in ihrem Kopf. Franz Leopold kräuselte die Lippen zu einem Lächeln, das ganz gewiss nicht freundlich war.
    Nein? Vielleicht bin ich ja noch schlimmer, als sie sagt! Anderseits, kann eine Ratte einen Adler beleidigen? Er steht so weit über ihr, dass es keinen Grund für ihn gibt, sich mit dem Ungeziefer im Morast zu befassen.
    Er konnte in ihre Gedanken eindringen! Das war beunruhigend. Es musste doch eine Möglichkeit geben, ihn davon abzuhalten!
    Natürlich gibt es die. Aber ich fürchte, diese Kunst wird nur von den wirklich überlegenen Familien beherrscht. Und dazu würde ich eure nicht gerade zählen.
    Das Rauschen in Alisas Kopf schwoll an. Franz Leopold weidete sich sichtlich an ihrem Unbehagen. Sie fühlte, wie Wut in ihr aufstieg. Am liebsten hätte sie sich auf diesen arroganten Kerl gestürzt. Plötzlich entstand ein Bild in ihrem Kopf, wie sie über ihre eigenen engen Röcke stolperte und ihm zu Füßen in den Dreck fiel.
    Nur zu. Die dunklen Augen funkelten. Hatte er dieses Bild beschworen und zu ihr gesandt? Alisa wusste, dass es Vampire mit mächtigen geistigen Fähigkeiten gab, die mit einem Wimpernschlag ihre Opfer lähmen oder zu willenlosen Dienern machen konnten. Aber sie wollte nicht glauben, dass Franz Leopold ein solcher Meister war. Er konnte nicht älter sein als sie! Sie versuchte, ihren Zorn zu unterdrücken, und nahm all ihre Willenskraft zusammen, um ein Bild von ihm zu schaffen, das ihn als verunsichertes, auf andere neidisches Bürschchen darstellte. Sie lächelte ihn an und sah voll Genugtuung, dass er zusammenzuckte und ihm die überhebliche Miene für einen Augenblick entglitt. Viel zu schnell hatte er sich wieder im Griff. Er trat näher an sie heran, und Alisa fühlte, wie er tiefer ihn ihre Gedanken vorstieß. Ihr war klar, was er suchte: Schwächen und Peinlichkeiten, an denen er sich laben und mit denen er sie bei passendem Anlass in Verlegenheit bringen konnte.
    »Lass das!«, zischte sie.
    »Warum sollte ich, wenn es mir doch Vergnügen bereitet?«
    »Weil du mich sonst zwingst, dir wehzutun!«
    »Was?« Für einen Augenblick war er verblüfft, dann lachte er laut auf. »Das möchte ich erleben!«
    »Das wirst du!«, versprach sie, sprang von ihrem Sitz auf und stürmte hinaus. Sie wollte lieber auf ihren Bluttrank verzichten, als noch länger in seiner Gegenwart zu sein.
    Zurück in ihrer Schlafkammer öffnete sie den Deckel ihrer  Reisekiste und durchwühlte ihre Schätze nach einigen Gegenständen, die ihr beim Kampf von Nutzen sein könnten. Wenn das Ridikül nur nicht so klein wäre!
    »Na warte, Franz Leopold, du sollst mich kennenlernen!«, rief sie ihre Drohung in den leeren Raum, ehe sie sich zum großen Hof aufmachte, wo sie nach dem Mahl alle zusammentreffen sollten.
     
    Als Alisa den Hof betrat, bot sich ihr ein seltsames Bild. Es waren schon fast alle Schüler und ihre Begleiter versammelt und auch die wichtigsten Mitglieder der Nosferas, doch während diese nah um einige verhüllte Gegenstände standen, hatten die Gäste der anderen Familien einen großen Kreis mit möglichst viel Abstand zu den Hausherren gebildet. Ja, es wirkte fast so, als hätten sie Angst. Verwundert trat Alisa zu ihrem Bruder Tammo, der nervös an seinen Fingern kaute.
    »Was ist denn mit dir los?« Sie hatte die Frage noch nicht beendet, da konnte auch sie es spüren. Etwas Schmerzhaftes durchdrang ihren Leib und zehrte an ihr. Alisa sah sich um. Sie trat einen Schritt in den freien Ring und

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