Nosferas
die Frage sie mit einschloss. Schließlich zogen die beiden es genauso vor, unter sich zu bleiben, wie sie meist ihre Gesellschaft mied. So ging sie allein davon und schlenderte, in Gedanken versunken, durch steinerne Kammern und düstere Galerien.
Nun, vielleicht war es gar nicht so erstaunlich, dass sich ausgerechnet die Vampire in Rom diese außergewöhnlichen Fähigkeiten angeeignet hatten. Gerade die Allmacht der Kirche hier hatte ihnen vielleicht nur diesen Ausweg gelassen. Sonst wären sie vermutlich längst untergegangen.
Alisa blieb stehen, um sich zu orientieren. Wo war sie? Sie hatte nicht auf ihren Weg geachtet. Es war niemand zu sehen. Sie spähte in ein paar feuchte Kammern, in denen Särge und Sarkophage aufgereiht standen. Sie waren alle alt und zum Teil beschädigt. Das mussten die Kammern der Schatten am Rand des Westflügels sein. Alisa wandte sich ab und wollte sich gerade auf den Weg zu ihrer Schlaf kammer machen, um ein wenig in einem ihrer Bücher zu schmökern, als von der anderen Seite her ein seltsames Geräusch zu ihr drang. Was war das? Es klang wie ein unterdrücktes Stöhnen. Dann ein Schlag. Alisa raffte die Röcke und bog in den langen Gang ein, der sich im Norden den gesamten Westflügel entlangzog. Er stellte für die Dienstboten eine schnelle, unauffällige Verbindung zu allen Bereichen der Domus Aurea dar und hielt ein wenig die Feuchtigkeit des Erdreichs hinter der Abschlussmauer von den Wohnräumen fern. Wieder hörte sie ein Stöhnen und dann ein gehässiges Lachen. Sie lief den Gang hinunter, bis er am Ende des Flügels eine Biegung machte. Dort vorne, vom trüben Licht einer kleinen Öllampe an der Wand erhellt, konnte sie zwei Gestalten ausmachen.
»Was? Ich kann dich nicht verstehen«, höhnte eine Stimme, die sie überall wiedererkannt hätte. Franz Leopold hatte sich offensichtlich bereits vollständig von seinem Unbehagen erholt!
»Tritt ein wenig fester zu. Er möchte noch ein wenig Staub fressen«, rief eine andere Stimme mit dem gleichen österreichischen Akzent.
Alisa rannte los und kam schlitternd bei den beiden zum Stehen. Erst jetzt bemerkte sie die dritte Gestalt. Den wilden Haarschnitt kannte sie! Luciano lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden, Franz Leopold stand auf seinem Rücken, während Karl Philipp mit dem Schuh gegen seine Wange drückte und seinen Cousin noch anstachelte. Nun jedoch wandten sie ihre Aufmerksamkeit Alisa zu.
»Ah, sieh einer an, das Hamburgmädchen will auch ein wenig Spaß mit uns haben!«, rief Karl Philipp. Seine Augen blitzten boshaft. Alisa war viel zu empört, um auch nur einen Funken von Furcht zu empfinden. Diese arroganten Mistkerle!
»Oh ja, wir werden viel Spaß miteinander haben«, erwiderte sie, während ihre Hand in das Ridikül glitt. »Und ihr werdet es euch das nächste Mal sicher gut überlegen, ehe ihr euch noch einmal an Luciano vergreift.«
Die Dracas lachten höhnisch. Karl Philipp versuchte, Alisa zu greifen, doch sie duckte sich unter seinen Armen hindurch und wich bis zur Ecke zurück. Sie hörte eine Naht an ihrem Rock reißen, achtete aber nicht darauf. Ihre Hand umklammerte etwas Silbriges.
»Jetzt habe ich dich!«, triumphierte der ältere Junge. Auch in Franz Leopolds Miene zeigte sich etwas wie freudige Erregung. Alisa machte sich nicht einmal die Mühe, zu antworten. Sie sah kurz zu der Öllampe hinüber, dann presste sie die Augen fest zu. Ihre Hand schoss zur Seite und ließ das silberne Knäuel in die Flamme fallen. Sie hörte das Feuer zischen, dann schrien die beiden Vampire in höchstem Schmerz auf. Als der Schein ihre Lider durchdrang, schlug Alisa für einige Augenblicke die Hände vors Gesicht.
So schnell der grelle Blitz aufloderte, so schnell verlosch er wieder, doch die Wirkung des Magnesiums war noch verblüffender, als sie erwartet hatte. Ihre Gegner taumelten orientierungslos durch den Gang, die Hände vor die Augen gepresst, und stöhnten. Alisa hätte gern untersucht, wie lange der Zustand anhielt, wollte aber lieber nicht riskieren, noch in Reichweite zu sein, wenn der Schmerz nachließ und sie wieder sehen konnten. Daher hastete sie zu dem noch immer am Boden liegenden Luciano, packte seinen Oberarm und zerrte ihn auf die Beine.
»Was war das?«, fragte er mit zitternder Stimme.
»Das erkläre ich dir später. Los, komm jetzt!« Sie zog ihn hinter sich her.
»Das werde ich dir nicht vergessen!«, heulte Franz Leopold, als sie an ihm vorbeikamen. Alisa hielt für einen
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