Nosferas
Knurren eines Tieres. Verstört schüttelte sie den Kopf. Wie seltsam. Das war nicht der, den sie erwartete. Es wurde Zeit, zu verschwinden. Sie raffte Umhang und Habit* und eilte geduckt zwischen Unkraut und wilden Büschen davon.
Es war einfach gewesen, ihnen durch die Gänge der Domus Aurea zu folgen. Als Franz Leopold Ivy-Máire in einem dunklen Gewand sah und Alisa in schäbigen Hosen und Kittel, wusste er, dass sie etwas Verbotenes planten, und heftete sich an ihre Fersen. Die Geheimtür musste er sich merken. Vielleicht konnte man sie noch brauchen. Franz Leopold wartete eine ganze Weile hinter der geschlossenen Tür, ehe er es wagte, sie langsam aufzudrücken. Sie öffnete sich lautlos. Die Mondsichel verbarg sich hinter den Wolken. Gut so. Das Licht der Nacht genügte ihm, um die anderen nicht zu verlieren, und so würden sie ihn nicht entdecken, wenn er genug Abstand hielt. Schließlich stammten sie alle aus minderwertigen Clans, deren Sinne wohl kaum so entwickelt waren wie die der Dracas. Allerdings war er sich sicher, dass der Wolf ihn bemerkt hatte. Das verfluchte Tier wandte immer wieder den Kopf und starrte genau in seine Richtung. Aber sie konnten ja wohl kaum mit dem Biest sprechen!
Franz Leopold folgte den anderen zum Kolosseum hinunter und dann durch unterirdische Gänge bis in die Arena. Er hielt so viel Abstand, dass nur ab und zu ihre Stimmen an sein Ohr drangen. Ihre Worte konnte er nicht verstehen, doch es klang so, als würden sie den Ausflug genießen. Wütend ballte er die Fäuste. Er fühlte sich plötzlich seltsam allein. Seine Cousinen Marie Luise und Anna Christina tauchten vor seinem inneren Auge auf und er wischte sie schnell beiseite. Sie waren verwöhnt, launisch und meist eine Plage. Er hätte Karl Philipp fragen können, ob er ihn begleitete, doch der wollte stets bestimmen. Und einen Vampir aus einem anderen Clan so nahe an sich heranzulassen, kam gar nicht infrage.
Ivy-Máires Stimme wehte zu ihm herüber, und für einen Moment sah er sich an ihrer Seite, wie er sie durch die Ruinen führte und ihr die Wunder längst vergangener Zeiten zeigte. Der fette Luciano hatte wirklich Glück. Wären sie in Wien, würde sie diesem Abschaum nicht einmal einen Blick gönnen!
Aber eigentlich war das unwichtig. Wer war sie denn schon? Ein Landmädchen, das zwischen Schafen aufgewachsen war. Nichts Besonderes und seiner sowieso nicht würdig.
Als die drei schließlich durch einen Bogen ins Freie krochen, wartete er eine ganze Weile, ehe er ihnen nachschlich. Er ließ den Blick suchend schweifen und erstarrte. Eine schwache rötliche Aura hinter einem Busch fesselte seine Aufmerksamkeit. Waren die drei hergekommen, um einen Menschen gemeinsam zu überfallen und auszusaugen? Das wäre ein schwerer Verstoß gegen die heiligen Regeln aller Familien gewesen! Junge Vampire hatten noch nicht die Macht, den Geist ihrer Opfer zu kontrollieren, und nicht die Kraft, im Blutrausch rechtzeitig aufzuhören, bevor der letzte Herzschlag verklang. Daher bekamen sie nur Tierblut. Denn wer einmal Menschenblut gekostet hatte, konnte dem Drang nicht mehr widerstehen und erlag seiner Gier - trotz Verbote und Strafen - immer wieder. Wie wahr! So mussten die jungen Vampire warten, bis sie in einem Ritual in die Welt der Erwachsenen eingeführt wurden und ihnen bei einem Fest das erste Opfer präsentiert wurde.
Franz Leopold trat noch ein Stück weiter vor, um besser sehen zu können. Ein Stein kullerte den Abhang hinunter. Dann ging alles ganz schnell.
Der Schatten mit der rötlichen Aura löste sich von der Wand und lief über den Platz davon. Der weiße Wolf heulte auf und rannte los, doch er verfolgte nicht die flüchtende Gestalt! Franz Leopold lief die Schuttrampe hinunter.
Weit kam er nicht. Er hörte das Trommeln der Pfoten, dann spürte er den heißen Atem hinter sich.
NÄCHTLICHE VERFOLGUNG
Franz Leopold war nicht der Einzige, der bemerkt hatte, wie Alisa, Luciano und Ivy durch die geheime Pforte verschwunden waren. Malcolm wartete einige Augenblicke, dann schlüpfte er ebenfalls hinaus. Doch im Gegensatz zu Franz Leopold war er nicht daran interessiert, den anderen zu folgen. Er wollte die Freiheit der Nacht alleine genießen, so wie er es in London schon lange gewohnt war. Die Hände auf dem Rücken verschränkt, schlenderte er über das Ruinenfeld nach Norden. Er sog die Gerüche der Nacht in sich auf und ließ den Blick über den Sternenhimmel schweifen. Hier war es still und
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