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Nosferas

Nosferas

Titel: Nosferas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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musste der Conte das schwarze Schaf ja gar nicht suchen, weil er es nur zu gut kannte?
     
    Er warf den langen, weiten Umhang über die Schultern und schob die rote Maske in die Tasche. Zum Glück hatte Latona sie wiedergefunden. Wie war sie nur unter die Matratze seines Bettes gekommen? Für einen Moment fragte sich Carmelo, wann er sich das letzte Mal so betrunken hatte, dass er sich danach nicht mehr an seine Handlungen erinnern konnte. Doch dann kam ihm das bevorstehende Treffen wieder in den Sinn. Der Kardinal hatte gerufen und die Mitglieder des Zirkels folgten seiner Anweisung!
    Carmelo schüttelte den Kopf. Diese Italiener! Sie hatten schon immer eine Schwäche für Geheimgesellschaften und Maskeraden besessen. Sie liebten geheime Zeichen, mit denen man sich unbemerkt als Mitglied eines Bundes ausweisen konnte, wenn man einander zufällig in den Gassen oder Gasthäusern begegnete. Es gab Berührungen mit der Hand, Blicke, Schrittkombinationen und natürlich jede Menge Codewörter. So auch im Zirkel der roten Masken. Carmelo tastete nach dem samtweichen Stoff. Obwohl er gern über diesen seltsamen Bund lachte und vor Latona über die Männer spottete, die sich in ihrer Verkleidung so wichtig vorkamen, lief ihm doch ein kalter Schauder über den Rücken, wenn er an den Kardinal dachte. Er war ein gefährlicher Mann, der wusste, was er wollte, und der seine Ziele rücksichtslos verfolgte. Und wenn er dazu über Leichen gehen musste. Über die Leichen von Menschen und anderer Wesen, die es nach Meinung der Kirche gar nicht geben durfte!
     

GROSSE PLÄNE
    Ein kalter Wind fegte über den Petersplatz und heulte um die Ecken des Papstpalasts. Die geruhsamen Stunden in seinem Garten waren vorüber. Pius IX. saß an seinem Sekretär, doch er konnte sich nicht auf die Schreiben der Gesandten konzentrieren, die vor ihm ausgebreitet lagen. Er hatte seine Mitarbeiter weggeschickt, um für ein paar Minuten allein zu sein. Ja, das Alleinsein vermisste er. Es hatte seinen Preis, der Vater aller Katholiken zu sein. Als Bischof oder gar als kleiner Pfarrer hatte er noch nicht die ganze Welt auf seinen Schultern getragen. Wie lange das schon her war! Pius IX. schloss die Augen. Er war so müde.
    Ich werde alt. Zu alt! Seine Finger umschlossen die roten Steine, die unter seinem Gewand ruhten. Wie er dieses Geschmeide hasste! Er hatte das Gefühl, es sich von der Brust reißen und gegen die Wand schleudern zu müssen. Oder mit den Füßen zu zertreten wie eine widerliche Schlange.
    Ein schiefes Lächeln hob einen seiner Mundwinkel. »Ja, ich werde alt und absonderlich.« Wie konnte man ein Schmuckstück hassen? Nein, diese Gefühle galten wohl eher dem, der es ihm gegeben hatte und der ihn stets drängte, sich nicht von den Steinen zu trennen.
    Ein Klopfen an der Tür ließ ihn aufschrecken. Es würde doch nicht schon wieder Kardinal Angelo sein? Abscheu überflutete ihn wie eine Welle. Das waren Gefühle, die eines Papstes nicht würdig waren, und dennoch konnte er nichts dagegen tun. Ob man den Kardinal vielleicht an den Amazonas oder nach Alaska versetzen konnte? Er dachte an seine eigene Reise nach Chile vor so vielen Jahren. Welch eine Tortur! Eine echte Prüfung Gottes. Pius IX. unterdrückte einen Seufzer. Wenn das heutzutage nur so  einfach wäre. Die großen Renaissancepäpste hätten sich nicht gescheut, ihre Widersacher zu verbannen oder das Problem mit ein wenig Gift zu lösen. Er bekreuzigte sich hastig. Nein, das war kein Gedanke, den man weiterfolgen sollte. War denn der Kardinal überhaupt ein Widersacher? Er wollte ihm das geben, was jeder Papst in seinen Träumen begehrt haben musste: die Herrschaft über ein vereintes Italien. Einen Gottesstaat Italien!
    »Heiliger Vater? Darf ich Euch stören?« Es war die Stimme seines Camerlengo. Was blieb ihm anderes übrig, als ihn hereinzurufen?
    Der graue Haarkranz erschien, dann das schlichte dunkle Gewand. Er legte die Hände zusammen und verbeugte sich. »Signor Giovanni Battista de Rossi ist angekommen und wünscht, Euch zu sprechen.«
    Pius IX. spürte, wie sich seine Miene erhellte. »Wie schön! Ja, bringen Sie den Signor gleich zu mir. Ich bin ja so gespannt, von seinen Plänen zu hören.«
    Der Camerlengo blickte ein wenig säuerlich drein, enthielt sich aber jeden Kommentars und beeilte sich, den Gast hereinzuführen. Der Papst ging dem Archäologen entgegen.
    »Ach, mein lieber Signor de Rossi. Ich freue mich, dass Sie wieder im Land sind. Sie haben so

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