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Nosferatu 2055

Nosferatu 2055

Titel: Nosferatu 2055 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Sargent & Marc Gascoigne
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allen zeigen wollten, dann entschied er sich für ein preiswertes koreanisches Modell. Er brauchte die Uhr jedoch nicht, um zu wissen, wie spät es war. Das konnte er jederzeit dem Stand der Sonne oder des Mondes und auch seiner inneren Uhr entnehmen. Doch aus irgendeinem Grund, vielleicht Aberglaube, meinte er, daß er eine brauchte.
    Er fühlte sich einsam. Mathanas war nicht bei ihm, sondern in seiner astralen Gestalt unterwegs, um ihre Route auszukundschaften, nach Verfolgern Ausschau zu halten und ganz allgemein Energie zu sammeln für das, was vor ihnen lag. Niall kehrte in ein Straßencafe an den Champs-Elysées ein, aß Schnecken in Knoblauchsoße und trank, was die Franzosen lächerlicherweise als Bier bezeichneten. Es schmeckte wie eine Mischung aus schlechtem englischem Lager und dem Blaseninhalt einer Teufelsratte, aber wenigstens war es kalt. Er stellte den Krug aus Steinimitat vor sich auf den Tisch und wischte sich den Schaum von den Lippen.
    Ich bin wirklich ein Idiot, dachte er. Wer fährt schon nach Frankreich und bestellt Bier ? Geschieht mir recht.
    Die Armbanduhr verriet ihm, daß er noch dreißig Minuten Zeit hatte, bevor sein Zug zum Flughafen Charles de Gaulle und dem anschließenden Flug nach München ging. Er bestellte einen Cointreau und kippte den Likör in einem Schluck herunter.
    Auf das nächste Leben, dachte er philosophisch, und machte sich dann auf, ein Taxi zum Flughafen zu fin den. Die Überwachung der Amerikaner hatte er schon längst eingestellt. Für sie war es jetzt zu spät.
     
    Sie trafen um vier Uhr in Berlin ein, und alle fühlten sich nach dem kurzen Nickerchen im Flugzeug etwas besser. Insbesondere Serrin war angenehm überrascht, als er feststellte, daß Michael hinsichtlich der Massage recht hatte. Einige seiner Muskeln fühlten sich tatsächlich so an, als befänden sie sich am Rande der Entspannung.
    Serrin war noch nie in Berlin gewesen, hatte Michaels Beschreibung im Flugzeug aber eigentlich keinen rechten Glauben geschenkt. Kein Ort konnte so chaotisch sein. Es war einfach zu verrückt, und die Deutschen waren zu vernünftig.
    Außer in Berlin, wie ihm klar wurde, als sie dort ankamen.
    Bei der Einreise beachtete man ihre Papiere kaum. Die Beamten warfen lediglich einen flüchtigen Blick auf die erste Seite ihrer Pässe, lächelten über die Heiratseintragung und gratulierten Michael in einem Tonfall, der die Vorstellung erweckte, daß sie kürzlich Glück gehabt und die Einfuhr von etwas gleichermaßen Interessantem wie Illegalem verhindert haben mußten - und sich das meiste davon gleich zu Gemüte geführt hatten.
    Der Flughafen war eine Rekonstruktion Babels mit dem Unterschied, daß beim Bau Start- und Landebahnen miteinbezogen worden waren. In der Flughafenhalle wimmelte es von Straßentheaterfreaks, Jongleuren, Puppenspielern, dadaistischen Pantomimen und religiösen Verrückten, die je nach Kultzugehörigkeit für nächsten Montag, Mittwoch oder Freitag das Ende der Welt prophezeiten. Hinzu kamen ausgebrannte Chipheads, Straßenmädchen, Straßenjungen, Straßenirgendwas und Betrunkene. Gelegentlich taten Passagiere wie sie selbst ihr Bestes, sich einen Weg durch diesen menschlichen Ausschuß zu bahnen, der ihnen den Weg versperrte. Die Flughafensicherheit schien von alledem nur dort etwas zur Kenntnis zu nehmen, wo offene Gewalt drohte. Serrins kleine Gruppe war noch keine zehn Meter weit gekommen, als ihr schon Mädchen, Jungen, Bewußtseinserweiterung durch Guru oder Pille, Erlösung durch Bestellungen per Post und Mitgliedschaften in Gesellschaften und Organisationen jeder nur vorstellbaren - und zum Teil auch unvorstellbaren - Neigung und Richtung angeboten worden waren.
    »Ich bin noch nie hier gewesen«, sagte Serrin, als Kristen sich an ihn klammerte, »und ich werde niemals wieder hierher zurückkehren.«
    »Ach, es ist gar nicht so schlimm, Chummer. Es ist nur so, daß die Freistadt so ziemlich alles aufgegeben hat, was die letzten sechstausend Jahre Zivilisation an wünschenswerten Errungenschaften mit sich gebracht haben«, grinste Michael. »Aber das Bier ist gut. Und die Stadt ist nicht überall so. Natürlich sind manche Gegenden noch schlimmer. Tatsächlich sogar die meisten, um die Wahrheit zu sagen. Aber das Metropolitan, in dem wir absteigen, ist eine Oase geistiger Gesundheit. Auf jeden Fall beschäftigt es Sicherheit, was genau das ist, was wir brauchen. Und wir können hier Dinge bekommen wie sonst nirgendwo in Deutschland. Uns steht

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