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Nosferatu 2055

Nosferatu 2055

Titel: Nosferatu 2055 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Sargent & Marc Gascoigne
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habe.«
    »Mir ist damals einfach nichts Besseres eingefallen, abgesehen davon, dir eine neue Leber zu kaufen - aber du warst sowieso schon mit Metall und Implantaten vollgestopft«, sagte Serrin, um im gleichen Augenblick die Taktlosigkeit seiner Worte zu realisieren. Wenn Tom jetzt ein Bär-Schamane war, würde ihm mittlerweile jedes Stück Cyberware in seinem Körper verhaßt sein, eine fremdartige Präsenz, die ihn an eine Vergangenheit erinnerte, die er lieber vergessen wollte. Oder nicht? Der Troll schien seine Gedanken zu lesen.
    »Es ist alles noch da«, grollte er. »Die Smartgun-Verbindung, die Reflexbooster, die Muskelimplantate. Ich hatte nie das Geld, um sie entfernen zu lassen, und außerdem wäre es auch gefährlich. Ich muß einfach damit leben. Ich werde nie mit Bär laufen können. Eher hinterherhinken. Aber das stört mich nicht weiter.«
    Serrin sah einen Anflug von Kummer in den Augen des Trolls und wußte verdammt gut, daß Tom jede Minute damit lebte, wie dies auch der uralte Blues zu verstehen gab, der gerade aus den ramponierten Barlautsprechem leierte.
    »Aber wie ist es dazu gekommen? Willst du darüber reden?« Serrin hatte fast vergessen, daß er hier war, weil er jemanden mieten wollte, der einmal vor Jahren in den Barrens seine Haut gerettet hatte. Jetzt saß eine ganz andere Person vor ihm. Er wollte wissen, wer Tom geworden war.
    »Es ist schwer zu beschreiben... Ich kenne diese ganzen hochgestochenen Wörter nicht«, sagte der Troll zögernd. »Erinnerst du dich noch an Anna?«
    Der Elf nickte. Tom war bis über beide Ohren in die verrückte wilde Trollfrau verliebt gewesen, die Tag und Nacht für die Leute im Dschungel kämpfte und dann eines Tages ins Kreuzfeuer einer sinnlosen Auseinandersetzung zwischen zwei Gangs geraten war. Das war der Zeitpunkt gewesen, als sich Toms Trinkerei, die schon immer ziemlich heftig gewesen war, zu tagelangen Sauftouren ausgewachsen hatte, auf denen er genug Bier und Whiskey konsumiert hatte, um ein halbes Dutzend Leute umzubringen. Die meisten Leute waren der Ansicht gewesen, er werde früher oder später wieder damit aufhören. Schließlich waren sie nie richtig zusammengewesen. Anna war nie mehr als freundlich zu Tom gewesen, der eine ganze Ecke jünger als sie war. Aber das Trinken hatte nicht aufgehört. Statt dessen war es immer schlimmer geworden.
    »Einmal dachte ich, ich hätte sie wiedergesehen. Anfang 'einundfünfzig. Ich bin völlig durchgedreht und hinter ihr hergerannt. Ich dachte, sie sei aus dem Grab zurückgekommen. Ich hatte den Bauch voll Bier und war völlig verzweifelt, und während ich langsam nüchtern wurde, sah ich die Dinge mit schrecklicher Klarheit. Anna hatte mich nie geliebt, und ich hatte mich wegen eines Traumes im Schnaps ertränkt.«
    »Du warst Anna nicht gleichgültig«, murmelte Serrin.
    »Das ist nicht dasselbe. Mir wurde klar, wie dämlich ich gewesen war und daß nichts mehr übrig war. Schlimmer noch, ich hatte einen Haufen Leute wegen der Kohle umgelegt.«
    »Nicht, als ich dich kannte, da hast du das nicht getan. Ich habe nie gehört, daß du jemanden umgelegt hast, der nicht zuerst auf dich geschossen hätte«, sagte Serrin überrascht.
    »Manche Dinge trete ich in der Öffentlichkeit nicht breit. Jedenfalls weißt du, wie schlimm es hinterher war. Nachdem du gegangen bist, habe ich mich ein paar Monate lang so gerade über die Runden gebracht, und dann wurde es echt schlimm. Die Einzelheiten willst du gar nicht wissen.« Der Troll beugte sich vor und sah Serrin in die Augen. Die Situation war dem Elf überaus unangenehm, aber er war von den geflüsterten Worten des Trolls wie gebannt.
    »Irgendwann fand ich mich mit dem Gesicht in der Gosse im Dschungel wieder, ohne einen Cent in der Tasche. Ich stand auf und legte jemanden für das Wechselgeld in seiner Tasche um - für den Preis von ein paar Flaschen aus einem Schnapsladen. Chummer, ich habe so viel getrunken, daß ich kein Delirium tremens hatte, sondern das Delirium mich. Irgendwo in der Gosse, ich weiß nicht mehr. Aber ich weiß verdammt gut, daß ich kurz davor war zu sterben. Ich fiel in einen schwarzen Tunnel und sah kein Licht am Ende. Es war die Hölle, Chummer. Nun wissen wir beide, daß wir 'n paar hochtrabende Worte für das haben, was es im Astralen gibt, und daß es keine Dämonen und Teufel gibt. Aber es gibt irgendwas, das wir als Hölle bezeichnen könnten, weil wir wissen, daß es das für einen sein wird, wenn man je dort landet. Daß

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