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Nosferatu 2055

Nosferatu 2055

Titel: Nosferatu 2055 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Sargent & Marc Gascoigne
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sie seine Brieftasche in der Hand, dann sah sie ein kleines Metallkästchen auf dem Bürgersteig liegen, auf dem die Regentropfen glitzerten. Mittlerweile waren andere Fußgänger in Sicht, aber da keine Gangs zu sehen waren, hatte Kristen alle Zeit, die sie brauchte. Nachdem sie die Beute dieses Abends sicher in ihrer Tasche verstaut hatte, ging sie weiter zur Merriman Street.

6
     
    Serrin mußte sich nach seiner Ankunft in Redmond noch stundenlang die Hacken ablaufen. Es hieß, Tom sei irgendwo im Dschungel, aber der Elf wollte sich dort nicht mit ihm treffen. Das wäre ihm wie ein Eindringen in Toms Privatsphäre vorgekommen. Der Elf vertrieb sich die Zeit, indem er sich die Stände des Schacherkellers ansah, wobei er sich von den offensichtlichsten Manifestationen geschäftlicher Unternehmungen der Mafia und der Yakuza fernhielt. Schließlich kaufte er mehr aus Langeweile ein Paar Broschen aus Muschelschalen. Gegen fünf Uhr am Nachmittag machte er sich auf den Weg zu ihrem alten Treffpunkt.
    »Was sagt man dazu?« sagte Janus, als Serrin das Crusher 495 betrat. »Bist du so was wie'n falscher Fuffziger, der immer mal wieder auf taucht?«
    Der Elf lächelte reumütig. »Ist lange her, Chummer.«
    »Klar. Aber wir haben alles über dich im Trid mitbekommen«, sagte der Barmann, bei dessen Lächeln sich sein Gesicht kraus zog wie das einer Katze, nachdem sie Sahne geschleckt hat.
    Serrin zuckte die Achseln und warf einen Blick auf die vertrauten Nischen und Hocker. Er erkannte einige der Gesichter, und der Laden roch auch noch so wie früher, nach einer nicht unangenehmen Mischung aus Bier und Schweiß.
    »Ich höre, du bist neuerdings so was wie 'n Held«, erklang die Stimme eines Orks aus dem Schatten. Es war nur zum Teil eine Herausforderung.
    »Ich schlage euch Jungs einen Handel vor«, sagte Serrin. »Ich hole das Bier, und ihr vergeßt den Drek, okay?« Das begeisterte Stimmengewirr, das sich daraufhin erhob, verriet Serrin, daß er hier doch mehr zu Hause war als erwartet.

 

Er hatte sein Bier halb ausgetrunken, als ihm die plötzliche Stille verriet, daß Tom den Laden betreten hatte, und zwar Augenblicke, bevor er die schinkengroße Hand auf seiner Schulter spürte.
    »Ich höre, du suchst nach mir«, sagte der Troll in einem Tonfall, den er vielleicht bei einem Freund angeschlagen hätte, welchen er nicht vor fünf Jahren sondern erst gestern zum letztenmal gesehen hatte. Serrin drehte sich auf dem quietschenden Barhocker und betrachtete seinen alten Freund von oben bis unten. Es war ein Augenblick großer Verwunderung, da der Elf praktisch sofort spürte, daß Tom sich völlig und unwiderruflich verändert hatte. Eine Art von Verwandlung, wie Serrin sie noch nie erlebt und voraussichtlich auch nie mehr erleben würde, wenngleich er die Fähigkeiten besaß, sie zu erkennen. Er hob sein Glas und bestellte ein Bier für den Troll.
    »Nee. Das übliche, Janus«, sagte Tom fröhlich. Als der Barmann das Glas Mineralwasser vor Tom hinstellte, schloß dieser seine gewaltige Faust darum und führte Serrin in die Abgeschiedenheit einer ruhigen Nische.
    »Ich glaube, wir haben uns 'ne Menge zu erzählen«, sagte er zur Einleitung.
     
    Der Ausweis in der Brieftasche besagte, daß der Bursche aus dem Loop-Viertel stammte. Nichts Besonderes, nicht das große Geld von Castle und Buitenkant, nur ein Konzerntyp. Die Plastikkarten verrieten ihr, daß er für Krüger arbeitete, einen Elektro fuhr, schlau genug war, keinen Organspender-Ausweis mit sich herumzuschleppen, und es ihm offenbar gelungen war, sich mehr Dauerparkausweise zu besorgen, als vernünftig erschien. Normalerweise hätte Kristen die Kreditkarte genommen und sie an den Docks verhökert, aber nicht in diesem Fall. Die Polizei würde den Mord untersuchen, und sie wollte sich nicht in einer Zelle wiederfinden und auf die Sonderbehandlung warten müssen, die für gemischtrassige Verdächtige reserviert war.
    Nachdem sie die Rands aus der Brieftasche genommen hatte, wischte sie das Kunstleder und die Plastikkarten sorgfältig ab, um keine Fingerabdrücke zurückzulassen, dann riß sie ein paar Seiten aus der Illustrierten in ihrer Tasche und wickelte die Brieftasche darin ein. Sie warf die feuchten Seiten in einen Papierkorb an der Kreuzung Merriman und Ocean View, wobei sie sich vergewisserte, daß sie niemand beobachtete, dann ging sie nach Westen. Doch Kristen war nicht mehr nach Tanzen zumute, und sie ging durch die High Street zurück in Richtung

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