Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Notaufnahme

Notaufnahme

Titel: Notaufnahme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
Vom Netzwerk:
derartige Verletzungen gar nicht überleben kann. Ich bin sicher, dass sie nicht mehr bei Bewusstsein war, als der Täter auf sie einstach, und ich wette, dass er sie tot glaubte, als er sich aus dem Staub machte. Es grenzt schon fast an ein Wunder, dass sie überhaupt noch so lange überlebt hat – ganz gleich, ob es dreißig Minuten oder dreißig Stunden waren. Die kollabierte Lunge hat sofort ihre Funktion eingestellt, und die andere muss wie mit einem Leck gearbeitet haben. Mike hat mir berichtet, dass alle am Tatort Anwesenden angenommen haben, sie sei noch einmal kurz zu Bewusstsein gekommen und habe versucht, sich mit der letzten in ihrer Lunge verbliebenen Atemluft fortzubewegen. Das ist möglich.«
    »Hätte sie denn noch genug Kraft gehabt, sich durch den Raum zur Tür zu schleppen?«
    »Klinisch betrachtet, nein. Aber wir werden tagtäglich mit so vielen unglaublichen Dingen konfrontiert, die sich in Extremsituationen abspielen. Ich kann also nicht ausschließen, dass sich Gemma Dogen mit letzter Kraft in Richtung Tür geschleppt hat, um Hilfe zu rufen. Aber medizinisch betrachtet, gibt es keine Erklärung dafür, wirklich keine.«
    »Chet, hat Mike Ihnen von dem … nun, von diesem Schnörkel berichtet, der neben der Leiche auf dem Boden gefunden wurde? Ich meine, in ihrem Blut.«
    Mike stand immer noch hinter mir und zerzauste mein Haar, um die Unsinnigkeit meines Gedankens zu demonstrieren.
    »Cooper glaubt, die Tote hätte versucht, uns etwas mitzuteilen.«
    Kirschners Blick streifte mich; er nickte. »Ich nehme an, Sie haben entsprechende Fotos vom Tatort, die Sie mir zeigen können.«
    »Ja. Bis heute Abend haben wir sie. Ich schicke sie Ihnen, Doc.«
    »Darf ich?« Kirschner langte über den Tisch, um nach einigen der Autopsie-Aufnahmen zu greifen. Er hielt sie dicht vor die Augen, um die Details zu finden, die ihm auf die Sprünge helfen sollten. »Auf Ihren Aufnahmen wird es sicher besser zu sehen sein, aber das Muster in dem Blutfleck hier neben ihrem rechten Zeigefinger lässt tatsächlich Ihre Theorie plausibel erscheinen. Vergessen Sie nicht, dass es dort vor Blut nur so getrieft hat – auch ihre Arme und Hände waren blutüberströmt. Ich komme gleich darauf zurück, wenn wir darüber sprechen, warum der Täter ihr die Fesseln abgenommen hat. Aber hier an ihrem Finger sieht das Blut tatsächlich anders aus, sei es, weil sie sich durch eine Blutlache geschleppt hat oder weil sie den Finger mit Absicht in ihr Blut getaucht hat, um etwas zu schreiben – was ich allerdings noch nie erlebt habe. Ich würde gerne erst Ihre Bilder sehen, bevor ich mich in diesem Punkt festlege. Ich bin überrascht, Chapman, dass Sie so ein Zweifler sind. Hatten wir da vor ein paar Monaten nicht einen gemeinsamen Fall? Der Typ, dem man auf dem Bahnsteig in der U-Bahn sechsmal in den Rücken geschossen hat, der aber trotzdem noch in der Lage war, zwei Treppen hoch auf die Straße zu torkeln, wo er eine Telefonzelle fand und eine Nummer wählte? Erst dann fiel er tot um.«
    »Ja, ›Lucky Louie‹ Barsky, der Kredithai. Er musste seiner Mutter unbedingt noch mitteilen, dass sie das Geld an sich nehmen sollte, das er im Schuhkarton mit der Aufschrift ›Größe 43, Schwarze Kroko-Slipper‹ auf dem dritten Regalbrett in seinem Kleiderschrank versteckt hatte. Er hatte Glück, dass er den Anruf noch machen konnte. Pech für seine Mutter allerdings, denn ich stand mit dem Durchsuchungsbefehl vor der Haustür, bevor sie die Trittleiter gefunden hatte. Doch, ich glaube sehr wohl an Wunder, Doc.«
    Mercer kam wieder auf unseren aktuellen Fall zu sprechen. »Sie glauben also, die Fesseln wurden nach den Messerstichen abgenommen?«
    »Am Tatort wurden keine Fesseln gefunden, ist das richtig? Nur der Mundknebel. Nachdem Gemma Dogen also ausgeschaltet war – ganz gleich, ob das mit den ersten Messerstichen oder danach war –, hat er ihr vermutlich die Fesseln abgenommen und ihren Körper auf den Boden gelegt.«
    Mike hatte wieder am Tisch Platz genommen und schüttelte fassungslos den Kopf. »Er hat sie also vergewaltigt, während sie schon bewusstlos war und wie ein angestochenes Schwein blutete?« Er lehnte sich zurück, um seinen Oberkörper wieder nach vorne schnellen und seine Fäuste auf die Tischplatte herabsausen zu lassen. »Kann man sich vorstellen, dass ein Irrer beim Anblick einer blutüberströmten Leiche in Erregung gerät? Diesen Teil eurer Arbeit werde ich nie verstehen, Mercer, das schwöre ich. Wie bekommt

Weitere Kostenlose Bücher