Notbremse
erkundigte sich der schwitzende Manager.
»Was dies anbelangt, können Sie und Ihr Anwalt sich gern mit dem Leitenden Oberstaatsanwalt auseinandersetzen. Ich denke, er kommt persönlich vorbei«, erwiderte Fludium gelassen.
»Sie werden verstehen, dass wir alle rechtlichen Schritte ausschöpfen werden«, stellte Lambert verzweifelt fest.
»Das verstehe ich. Aber Sie wollten mir sagen, wo wir anderweitig Schadensbegrenzung betreiben sollen und weshalb wir bei Ihnen falschliegen.«
»Weil ich eigentlich auf Ihrer Seite bin, Herr Kommissar.«
»So? Und wie darf ich das verstehen?«
»In unserer Branche tobt ein gnadenloser Konkurrenzkampf«, begann Lambert langsam. »Gnadenlos. Ich sag nur ein Stichwort: Gesundheitsreform. Die Politiker haben am grünen Tisch etwas zusammengeschustert, was den Namen Reform nicht verdient. Es ist eigentlich ein aufgeblasener Bürokratenballon – aber verschonen Sie mich mit weiteren Erläuterungen.« Er winkte ab. »Ein Hauen und Stechen hat eingesetzt – um die Gunst von Ärzten und Apotheken, um Preisgestaltung, um Dumpingangebote, vor allem aber um die Arzneimittelproduktion in Billiglohnländern. Ist man bisher davor zurückgeschreckt, so sensible Produkte wie Medikamente irgendwo im Ausland produzieren zu lassen, so ist man nach und nach gezwungen, dort zu investieren.«
Fludium nickte. Er wollte den begonnenen Redefluss des Mannes nicht unterbrechen.
»Die Produktion ist die eine Seite. Die andere ist aber, sich am Markt behaupten zu können – und dazu bedarf es der Überzeugung von jenen, auf die wir stark angewiesen sind. Das sind Ärzte, die unsere Produkte verschreiben – aber insbesondere natürlich die Apotheken, die im Bereich der frei erhältlichen Medikamente das eine oder andere Fabrikat bevorzugen oder ablehnen können.«
»Wie in allen Branchen!«
»Wie überall, ja«, bekräftigte Lambert. »Und wie überall sonst gibt es schwarze Schafe. Korruption, Bestechung. Das brauch ich Ihnen nicht zu sagen. Und deshalb ist es legitim und sicher nicht zu beanstanden, wenn sich Wettbewerber kritisch beäugen.«
»Sicher nicht.«
Das Telefon schlug an. »Entschuldigen Sie«, sagte Lambert, ging zum Schreibtisch und nahm den Hörer ab. Nach zwei Sekunden knurrte er: »Soll reinkommen.«
Sogleich ging die Tür auf und die Vorzimmerdame bat einen älteren Herrn in das Chefbüro.
»Mein Anwalt Dr. Martens«, stellte Lambert ihn vor. »Das ist Herr Fludium von der Kripo aus Geislingen.« Die Männer schüttelten sich die Hände und nahmen um die Couchgarnitur herum Platz. Martens’ Glatze war schweißnass. Er öffnete den Jackettknopf und wirkte nervös und unkonzentriert. Auf der Nase saß eine Hornbrille, die gewiss von einem hoch bezahlten Designer entworfen worden war.
»Ich hab Ihnen am Telefon bereits gesagt, dass eine Durchsuchung ansteht«, erklärte Lambert knapp und versuchte, den Anwalt zu rechtlichen Schritten zu bewegen. Doch Fludium wehrte ab: Der Leitende Oberstaatsanwalt habe ›Gefahr im Verzug‹ geltend gemacht. Es werde also nicht zu verhindern sein. Im Übrigen, versuchte Fludium die Lage weiter zu entschärfen, habe sich Herr Lambert bereits kooperativ gezeigt und zum Ausdruck gebracht, dass er den Ermittlungsbehörden behilflich sein wollte.
»Behilflich?«, staunte der Anwalt und sah seinen Mandanten ratlos an.
Der Manager war sichtlich verunsichert. »Ich war gerade dabei zu erklären, wie schwer wir uns in unserer Branche tun.«
»Ich will den Staatsanwalt sprechen«, fuhr Dr. Martens dazwischen, zog sein Handy aus der Innentasche des Jacketts und suchte aus dem elektronischen Adressbuch die Nummer der Ulmer Staatsanwaltschaft heraus. Dann stand er auf und verdrückte sich in eine Ecke, um das Gespräch ungestört führen zu können. Unterdessen fuhr Lambert mit seinen Erklärungen fort:
»Um es kurz zu machen – ich hab einen Privatdetektiv beauftragt. Diesen Hocke, nach dem Sie mich vorhin gefragt haben.«
»Ach«, entfuhr es Fludium. »Und wozu?«
»Um die Machenschaften meines Konkurrenten aufzudecken – diesem Rieder. ›Donau Pharma AG‹. Kennen Sie doch sicher.«
Fludium nickte.
»Ich hab während meines Studiums mal bei Rieder hospitiert. Glauben Sie mir, ich weiß, wie es da drüben zugeht.« Er deutete in eine Himmelsrichtung, in der sich das Unternehmen des Konkurrenten ein paar Kilometer entfernt befand. Zögernd fügte er hinzu: »Ich hab ihn sogar zu einem persönlichen Gespräch aufgefordert – von Mann zu Mann.
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