Notbremse
Aber das Schwein ist zu feige dazu.«
Fludium stutzte. »Sie haben ihn darauf angesprochen?«
»Ja«, räumte Lambert jetzt offen ein. »Er wird es Ihnen ja berichten – vorgestern Nacht war ich dort.« Er grinste triumphierend. »Ja, bei ihm. Ich hab mir damals einen Schlüssel nachmachen lassen. Man kann schließlich nie wissen, wozu man so was mal braucht. Ich hab in seinem Büro noch Licht gesehen und bin rauf.«
»Das geht so ohne Weiteres?«
»Wenn man sich auskennt, schon. Ja – jetzt können Sie Ihre eigenen Schlüsse daraus ziehen.«
Fludium tat so, als wolle er keine Schlüsse daraus ziehen.
»Und um zu erfahren, was bei Ihrem Konkurrenten läuft, haben Sie sich auch an seine Sekretärin rangemacht, an die Frau Ringeltaube?«
Während Dr. Martens aufgeregt telefonierte und dabei wild mit dem rechten Arm fuchtelte, als halte er ein Plädoyer, stockte Lamberts Redefluss.
»Wenn Sie jetzt wieder anfangen, mich sofort in die Ecke eines Verbrechers zu stellen, dann betrachte ich das Gespräch als beendet.«
»Entschuldigen Sie«, gab sich Fludium beruhigend, genau so, wie es in solchen Fällen auch Häberle tun würde. »Sie müssen mir nachsehen, aber mich beunruhigt, dass Frau Ringeltaube verschwunden ist.«
»Sie ist nicht verschwunden«, bläffte Lambert. »Wenn Sie am richtigen Ort recherchieren würden, wüssten Sie, wo sie ist. Ich sagte Ihnen doch, Sie schießen sich auf den Falschen ein. Sie vergeuden Ihre Zeit.«
»Und wo, bitt’ schön, ist der richtige Ort?«
»240 Kilometer von hier entfernt – bei Kiefersfelden.«
In diesem Moment schlug wieder Lamberts Telefon auf dem Schreibtisch an. Er sprang auf, war mit drei Schritten dort und lauschte kurz. Dann nahm er den Hörer vom Ohr und schrie zu seinem Anwalt hinüber:
»Sie sind schon da – sie stehen an der Pforte.«
Dr. Martens drehte sich um und wirkte noch entnervter als bei seiner Ankunft. Er nuschelte etwas in sein Handy und beschied seinem Mandanten: »Wir haben keine Möglichkeit, es zu verhindern.«
»Idiot«, zischte Lambert leise und warf den Hörer in die Schale.
Fludium ärgerte sich. An eine weitere Vernehmung war nicht zu denken.
34
Häberle hatte bereits, als er sich zu Dr. Mirka und Gracia setzte, zu verstehen gegeben, dass niemand wissen dürfe, wer er sei. Die beiden Ärzte ließen sich ihre Pizzen schmecken, während Häberle ebenfalls eine bestellte – plus Cola. Liebend gern hätte er jetzt ein Weizenbier getrunken, doch er wollte einen klaren Kopf behalten.
»Genau so, wie Sie überrascht sind, mich hier zu treffen, bin ich es natürlich auch von Ihnen«, brachte Häberle ein Gespräch in Gang und besah sich noch einmal die Gäste, die in seiner Blickrichtung saßen. Doch da war niemand, der ihm bekannt vorkam.
Mirka grinste. »Die schönen Frauen locken«, erwiderte er. »Und mit Gracia ins Grüne zu fahren, gefällt auch einem alten Mann wie mir.« Verschmitzt lächelnd fügte er an: »Da wird man wieder jung.«
Gracia schwieg und aß artig weiter.
»Haben Sie freitags Ihre Praxis immer geschlossen?«
»Nicht immer«, antwortete Mirka mit hartem südosteuropäischem Akzent. »Aber ab und zu gönn ich mir ein langes Wochenende. Ärzte sollen doch sowieso weniger arbeiten. Hab ich Ihnen doch schon versucht zu erklären. Meine Damen halten die Stellung.«
»Und was führt Sie ausgerechnet hierher?«
»Nachdem Sie bei uns waren, am Mittwochmittag, und mich nach Pharmavertretern gefragt haben, ist mir was eingefallen. Eine Vertreterin hat mal von diesem See hier geschwärmt – und von Kiefersfelden.« Er nahm wieder ein großes Stück Pizza in den Mund, Gracia sah den Kommissar mit großen Augen an. Vermutlich hoffte sie, dass er in Gegenwart des Meisters nichts von ihrem nächtlichen Treffen bei der alten Mühle sagte. Häberle erinnerte sich, wie viel ihr daran gelegen war, ihr Techtelmechtel mit dem angeblichen Geheimpolizisten geheim zu halten. Umso mehr staunte er, als Mirka erklärte: »Gracia hat mir dann gebeichtet, dass sie einen heimlichen Liebhaber hat – und dass sie mit ihm vorletztes Wochenende auch schon hier war. Zum Wasserskilaufen.« Er grinste wieder. »Hab gar nicht gewusst, dass Gracia so sportlich ist.«
Jetzt verzog auch sie das Gesicht zu einem Lächeln.
»Und diesen heimlichen Liebhaber – Sie kennen ihn?«, hakte Häberle vorsichtig nach.
»Sie hat’s mir gestern gebeichtet«, erklärte Mirka und sah seiner jungen Begleiterin aufmunternd ins Gesicht. »Sie
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