Notbremse
nichts.
»Und falls es hier einen Tresor gibt, wovon ich ausgehe …«, machte der Chef der Anklagebehörde deutlich, »… dann möchte ich Sie bitten, ihn zu öffnen und uns den Inhalt zu zeigen.«
»Den Tresor?«
»Ja, auch den Tresor. Es verursacht weniger Aufwand, wenn Sie ihn selbst öffnen.«
Lambert lockerte den ohnehin bereits losen Krawattenknoten noch weiter. »Herr Dr. Martens, verdammt noch mal, sagen Sie doch auch etwas«, fuhr er den Anwalt an, der vor sich ein Blatt mit Notizen liegen hatte. Doch der juristische Beistand stammelte nur etwas von Paragrafen und den Hinweisen des Herrn Oberstaatsanwalts.
Lamberts Augen versprühten Gift. »Da geht es um Firmengeheimnisse«, sagte er trotzig.
»Wir wissen das«, gab Ziegler zurück. »Und Sie können sich sicher sein, dass wir dies alles mit der nötigen Sorgfalt angehen.«
»Und wenn ich mich weigere?«
»Ich sagte bereits«, blieb Ziegler ruhig, »dann werden unsere Spezialisten ihn öffnen. Notfalls auch mit Gewalt.«
Fludium hielt sich zurück. Wenn der Staatsanwalt sprach, hatte dies ohnehin mehr Gewicht. Auch wenn Staatsanwälte in Kriminalfilmen und Kriminalromanen meist gar nicht in Erscheinung traten. Im wirklichen Leben waren sie die obersten Leiter aller Ermittlungen. Lambert schien dies begriffen zu haben.
Nach dem Gespräch mit den beiden Ärzten hatte sich Häberle auf den Parkplatz vor der Pizzeria zurückgezogen, um mit Linkohr und Fludium die aktuelle Lage zu erörtern. Fludium, den er in Lamberts Büro erreichte, gab das Telefon an Ziegler weiter, der sich von Häberle die Situation am Hödenauer See schildern ließ.
»So, wie ich Sie kenne, Herr Häberle«, wurde der Staatsanwalt schließlich persönlicher, »haben Sie sich bereits eine eigene Theorie zurechtgerückt.« Es war zwar nur eine Feststellung, klang aber wie eine Frage.
»Geben Sie mir noch bis morgen Zeit«, antwortete Häberle und fügte gleich an: »Darf ich Sie mal etwas ganz direkt fragen?«
»Ja, natürlich, fragen Sie!«
»Diese Detektei Hocke in Rosenheim«, entgegnete Häberle, »kann es sein, dass die Herren auch für die Ermittlungsbehörden tätig sind?«
»Sie werden mir nachsehen, dass ich diese Frage nicht beantworten kann.«
»Kann oder will?«
»Für meinen Bereich kann ich sagen, dass mir nichts bekannt ist. Ich werde mich aber kundig machen«, erklärte Ziegler und beendete das Gespräch.
Häberle ließ das Gesagte noch einmal nachklingen. Dann steckte er das Handy wieder ein und ging zur Boutique hinüber, wo noch immer starkes Gedränge herrschte. Häberles Interesse galt weniger dem vielfältigen Angebot zum Wassersport als den Gesichtern um sich herum. Er suchte Sabine und Markus, doch schien dies ein schwieriges Unterfangen zu sein. Dann jedoch erspähte er in der Boutique Markus, der gerade einen Kunden beriet. Der Kriminalist machte sich mit einer Handbewegung bemerkbar und deutete an, dass er draußen sitzen und auf ihn warten werde.
Da kein Platz an den Tischen frei war, setzte sich Häberle an die schattige Bar und bestellte bei dem Mädchen hinterm Tresen einen Cappuccino. Als sie ihn servierte, bezahlte Häberle gleich und sah sie an:
»Ich such einen Freund«, log er und lächelte. »Horschak heißt er. Haben Sie ihn zufällig gesehen?«
Das Mädchen gab Wechselgeld zurück und sah in die Runde.
»Dort sitzt er doch«, sagte sie einigermaßen erstaunt darüber, dass Häberle ihn, den angeblichen Freund, bisher nicht gesehen hatte. Schlagartig wurde dem Kriminalisten bewusst, dass er sich ziemlich dilettantisch benommen hatte. Es wäre besser gewesen, auf Markus zu warten, anstatt sich so ungeduldig zu gebärden.
»Wo, bitte?«, tat er unwissend und leicht irritiert.
»Hier, am dritten Tisch, seitlich, der Mann mit dem blauen T-Shirt.«
Häberle hatte begriffen und bedankte sich. Er blieb trotzdem an der Bar sitzen und trank genüsslich seinen Cappuccino. Unauffällig behielt er den beschriebenen Mann im Auge. Das war er also. Kai-Uwe Horschak, freier Handelsvertreter, aber eng mit Rieders ›Donau Pharma AG‹ verbandelt, wie die Ermittlungen ergeben hatten. Der Mann war jedoch in der Nähe des Zuges gewesen, der am Mittwoch auf der Geislinger Steige gestoppt worden war. War er der Mann, der im hellen Sommermantel über den Steilhang flüchtete – hinauf nach Hofstett am Steig, um sich am Ortsschild zu orientieren? Hatte er dann Rieder angerufen, um sich abholen und hierher bringen zu lassen? Sozusagen, um aus der
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