Notbremse
Schusslinie zu kommen. Alles deutete doch darauf hin, dass es sein Koffer war, den man gestern Abend im Ulmer Bahnhof sichergestellt hatte. Mit all diesen chemischen Substanzen und dem seltsamen Hinweis, Rieder unter die Lupe zu nehmen. Hatte dieser Horschak nach dem Mord an Hocke Hals über Kopf den Zug verlassen und den Koffer zurückgelassen? Wenn’s denn so war, dann musste der Koffer sofort in andere Hände gefallen sein – und zwar von jemandem, der Interesse daran haben musste, Rieder anzuschwärzen und möglicherweise dubiose Geschäfte des Herrn Horschak mit Dopingmitteln auffliegen zu lassen. Falls dies so war, überlegte Häberle, dann machten Horschak und Rieder gemeinsame Sache. Aber wie passte der Mord in der alten Mühle und den dort angeblich gelagerten Gerätschaften in dieses Puzzle?
»Haben Sie noch einen Wunsch?«, wurde Häberle von der Stimme des Mädchens hinterm Tresen aus den Gedanken gerissen.
»Wie? Nein, danke«, erwiderte er und beobachtete, wie die drei anderen Personen an Horschaks Bistrotischchen sich verabschiedeten. Häberle entschied, die Gelegenheit wahrzunehmen und sich auf einen der frei gewordenen Plätze zu setzen.
»Noch frei?«, fragte er, während er sich bereits niederließ. Horschak nickte überrascht.
»Auch zum Skifahren da?«, begann der Kriminalist sofort ein Gespräch, um gleich gar kein Schweigen aufkommen zu lassen.
Horschak nickte. »Ich versuch’s hin und wieder, ja. Bei diesem Wetter ist das doch klasse.« Er musterte sein Gegenüber kritisch. »Und Sie?«
»Anfänger«, gestand Häberle. »Man hat mir von dieser Anlage vorgeschwärmt – und jetzt wollt’ ich sie mir mal anschauen. Gefahren bin ich noch nicht, nein.«
»Ist relativ einfach«, erklärte Horschak und spielte mit seinem Saftglas. »Wenn sie fünf-, sechsmal reingefallen sind, können Sie sich auf den Brettern halten. Man braucht nur das Gefühl dafür, wie man sich ans Zugseil hängen muss.«
»Ja, ich hab mir’s heut Mittag angesehen. Vielleicht versuch ich es später noch.«
»Sie sind also zum ersten Mal hier?«
»Ja, wie gesagt, man hat’s mir empfohlen.« Häberle lächelte und bestellte bei der Bedienung ein Mineralwasser. »Und Sie? Sie sind Profi?«
»Profi«, winkte Horschak ab, »ne, überhaupt nicht. Ich komm nur zur Entspannung her. Verlängertes Wochenende.«
Häberle überlegte, wie er vorgehen sollte. »Man sagt, dass es sogar Firmen gibt, die ihre Mitarbeiter mit einem Aufenthalt hier belohnen.«
»So? Sagt man das? Wer sagt das?«
»Gesprächsweise hört man das. Ist ja nicht selbstverständlich – wo doch die Betriebe all ihre sozialen Leistungen gestrichen haben.«
»Das stimmt.« Horschak nahm einen Schluck Orangensaft und ließ seinen Blick über die Nebentische schweifen. Sein Gesprächspartner dürfte momentan der Älteste hier sein, dachte er. Und vom Outfit her wollte er auch nicht so recht zu dieser Atmosphäre passen.
»Und Sie? Kommen Sie auch in den Genuss solcher sozialen Wohltaten?«
»Entschuldigen Sie«, wehrte Horschak ab und sah auf die Armbanduhr. »Aber ich hab jetzt leider keine Zeit. Wir können uns gern morgen weiter unterhalten. Sind Sie auch übers Wochenende hier?«
»Voraussichtlich, ja«, gab Häberle überrascht zurück, während Horschak schon aufstand und sich mit einem kurzen Kopfnicken und einem Lächeln verabschiedete. Er verließ das Bistro in Richtung Parkplatz und verschwand aus Häberles Blickwinkel.
Offenbar hatte Markus nur darauf gewartet, bis der Kriminalist allein war.
»Sie wollten mit mir reden«, sagte er und setzte sich. Dem Mann liefen die Schweißperlen von den Schläfen. Das Geschäft in der Boutique florierte – und er war mehrere Stunden lang mit Beratungsgesprächen beschäftigt gewesen. »Kommen Sie weiter?«, wollte Markus mit gedämpfter Stimme wissen. »Hat der auch etwas damit zu tun?« Er machte eine Kopfbewegung in Richtung Horschak.
»Ich befürchte, ja. Wie oft war der denn schon hier?«
Markus zögerte und sah den Kommissar skeptisch von der Seite an. »Hin und wieder. Wie oft, kann ich Ihnen nicht sagen. Beim besten Willen nicht.«
»Ist er dann allein oder mit Freunden?«
Der junge Mann dachte nach. »Um ehrlich zu sein, so genau schau ich nicht immer hin. Aber, wenn Sie mir versprechen, dass Sie es niemandem verraten: Er kommt wohl auch gelegentlich in den Genuss eines Wellnesswochenendes.«
»Eines gesponserten?«, hakte Häberle nach.
Markus sah sich vorsichtig um und nickte mit
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