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Notbremse

Notbremse

Titel: Notbremse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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einen der mittleren entschieden hatten, war Horschak schnell am Zug entlang nach vorn gegangen, um sich dort auf einem der vielen freien Plätze niederzulassen. Weil er entgegen der Fahrtrichtung links saß, hatte er von seinem Platz aus den Bahnsteig überblicken und sehen können, dass in letzter Sekunde noch zwei weitere Männer herangespurtet kamen. Den einen hatte er erkannt – es war dieser ziemlich unsportlich wirkende Mensch gewesen, mit dem er gestern im Bistro ins Gespräch gekommen war. Horschak hatte gehofft, diese widerliche Gesellschaft endlich hinter sich zu lassen – und nun waren gleich drei Personen mit an Bord. Oder womöglich noch mehr. Während er, darüber nachgrübelnd, aus dem Fenster blickte und der Zug inzwischen sein Tempo verlangsamte, weil er sich Oberau näherte, der nächste Haltepunkt dieser Regionalbahn, tauchte ein Schatten auf. Er wandte sich irritiert von der Scheibe ab und sah diese pummelige Gestalt vor sich stehen, frech grinsend, nur ganz kurze Haare auf dem Kopf.
    »Ick gloob, ick kann mir mal zu Ihnen setzen«, sagte er mit Berliner Dialekt und saß auch gleich Horschak gegenüber. Der musterte den Mann von oben bis unten und spürte dabei eisige Kälte.
    »Ich wüsste nicht, was wir zu besprechen hätten«, gab er kühl zurück.
    »Nun machen Se mal halblang, ja«, konterte der Berliner, der ein graues Freizeitjackett trug, das eine Menge Taschen vermuten ließ, wie Horschak feststellte. Taschen, um alle möglichen Waffen bei sich zu tragen. »Ick weeß zwar nich’, was Ihr kurzer Aufenthalt in Kiefersfelden sollte«, machte der Berliner namens Clemens Probost weiter. »Aber ick jeb Ihnen den jutjemeinten Rat: Kümmern Se sich um Ihre eigenen Dinge.«
    »Ich versteh überhaupt nicht, was ich mit der Sache zu tun habe.«
    »Mit der Sache?«, echote Probost selbstgefällig. »Wat meenen Se denn mit der Sache?«
    »Mit der Leiche im ICE vorgestern«, erklärte Horschak und es sollte selbstbewusst klingen, doch es hörte sich nach einem hilflosen Gestammel an.
    Der Zug hielt und durch die Scheibe war das Stationsschild ›Oberau‹ zu lesen. Niemand stieg ein oder aus.
    Probost grinste. »Unsere Begegnung der seltsamen Art. Wieso sind Sie eigentlich Hals über Kopf abgehauen? Musste das sein – gleich die Notbremse ziehen?«
    Er war es also gewesen, dachte Horschak. Jetzt hatte er Gewissheit. Nur kurz hatte er ihn gesehen. Die Tür war aufgeschoben worden – ein dumpfer Knall – und der Mann, der ihm gegenübergesessen hatte, war in sich zusammengesunken. Er selbst, so jagten Horschak die Bilder von vorgestern durch den Kopf, er selbst hatte Panik verspürt. Todesangst. Im Bruchteil einer Sekunde war der Mann an der Tür verschwunden gewesen, und er sprang auf, um in wilder Panik das Abteil zu verlassen. Und, verdammt noch mal, sogar seinen Koffer mit den wichtigen Utensilien hatte er zurückgelassen. Wo er geblieben sein konnte, war ihm bis zum heutigen Tag nicht klar geworden.
    »Sie haben doch ooch gewaltig Dreck am Stecken«, konstatierte Probost, während der Zug ruckartig wieder anfuhr und auf der Laufschrift der nächste Halt mit ›Flintsbach‹ angegeben wurde. Die digitale Uhrzeit zeigte ›08:03‹ an.
    Horschak bekam Gänsehaut. Dieser Kerl schien ziemlich genau über ihn Bescheid zu wissen.
    »Sie brauchen mir nischt zu sag’n«, machte Probost weiter und vergrub die Hände in den weiten Taschen seiner Jacke. »Es ist nischt Unehrenwertes, wenn man zwee Jobs hat, wie Sie. Oder wenn man zwee Herren gleichzeitig dient. Aber wenn dann was aus dem Ruder läuft, kann es sehr unanjenehm werd’n, versteh’n Sie?« Horschak reckte den Hals, um nach anderen Fahrgästen im Waggon Ausschau zu halten. Doch da war niemand. Auch die beiden Männer, die noch in letzter Sekunde hineingesprungen waren, hatten sich offenbar in die hinteren Waggons gesetzt.
    »Was soll denn aus dem Ruder gelaufen sein?«, fragte Horschak zurück. »Es läuft alles bestens.«
    »Sie sind ein ziemlicher Idiot, Herr Horschak«, erwiderte Probost jetzt betont langsam. »Und ick sag Ihnen, die Jungs in Bozen versteh’n keenen Spaß. Nicht den geringsten.«
    »Ich …« – Horschak wischte sich die schweißnassen Hände an der Hose trocken. »Ich versteh nicht, worauf Sie hinauswollen.«
    »Dat will ick Ihnen jerne sag’n. Ihr juter Bastian Plaschke, den Se anjeheuert hab’n als Fahrer und dem Se einen Job bei Ihrem Herrn Rieder vermittelt haben, war en Dreckskerl.«
    Horschak erschrak. Daher

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