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Notbremse

Notbremse

Titel: Notbremse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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mir inzwischen bewusst jeworden.« Probost sah auf die digitale Anzeige über der Tür. Brannenburg war der nächste Halt – und die Uhr zeigte ›08.10‹.
    Horschak hatte schon befürchtet, dass ihn seine Flucht aus dem ICE tiefer in den Schlamassel hineinziehen würde. Aber er hatte in seiner Panik, als der Mann erschossen worden war, nicht an die dubiosen Geschäfte mit den Spielgeräten gedacht, sondern nur das ganz große Ziel vor Augen gehabt, das ihm viel gefährlicher erschienen war, als für die Italiener Kontakte zu Spielhallenbetreibern zu knüpfen und ihnen im süddeutschen Raum ein Auslieferungslager samt Fahrer zu suchen. Die Jungs aus Bozen hatte er übers Internet kennengelernt. Die hatten einen Geschäftspartner zum Aufbau eines Auslieferungslagers gesucht. Natürlich war ihm schnell klar gewesen, dass es um kein allzu seriöses Handelsgeschäft ging. Doch die Provisionen, die geboten wurden, cash und natürlich steuerfrei, ließen jegliche Bedenken im Keime ersticken.
    Horschak war erleichtert, als der Zug in Brannenburg stand. Doch auch hier hatte er auf dem Bahnsteig niemanden gesehen.
    Probost hatte für ein paar Sekunden geschwiegen. »Ick befürchte nur, dat Sie keine große Gelegenheit mehr haben werden, Ihre Provisionen zu verjubeln«, stellte er schließlich fest. »Denn dummerweise sind Sie als direkt Beteiligter ein Sicherheitsrisiko ersten Grades.«
    Horschak wusste mit einem Schlag, was diese lapidare Bemerkung bedeutete. Es ging um Leben und Tod. Jeden Moment würde dieser Kerl eine Waffe aus der Jackentasche zum Vorschein bringen. Er hatte nur noch eine Chance, sagte ihm eine innere Stimme – und er folgte ihr: »Aber vielleicht könnte Sie mein anderes Geschäft interessieren«, sagte er. »Das verspricht viel mehr als die manipulierten Automaten Ihrer Auftraggeber in Bozen.«
    »Soll ick Ihnen mal wat sag’n? Mich interessiert ihre Dopingscheiße nicht! Meinetwegen könn’ se janz China dat Zeug in Arsch spritzen, damit jeder der 1,3 Milliarden Schlitzaugen eene Goldmedaille kriegt, versteh’n Se? Ick mach meen Job und werd’ dafür bezahlt – und ick mach meen Job jut.«
    Horschak überlegte krampfhaft, wie dies zu deuten war. Der Zug ruckelte weiter. ›Nächster Halt Raubling‹, stand auf der digitalen Anzeige zu lesen. Es war 8.12 Uhr. Horschak hatte den Eindruck, die digitale Anzeige sei ein Countdown. Ein Countdown für ihn und seine Zeit zum Leben.

44
     
    »Kennen Sie diese Käffer?«, fragte Linkohr, als vor der Scheibe des wieder angefahrenen Zuges der Stationsname ›Brannenburg‹ aufgetaucht war.
    »Nein, nie gehört«, gab Häberle einsilbig zurück. Seit sie in Kiefersfelden abgefahren waren, überlegte er krampfhaft, wie er den Herrschaften näher kommen konnte. Er war mal aufgestanden, um sich mit einem Blick nach vorn und nach hinten ein Bild zu verschaffen. Doch die Rückenlehnen der Sitze machten es unmöglich, einzelne Fahrgäste zu sehen. Vermutlich aber waren wenige an Bord. Häberle meinte sich zu erinnern, dass er und Linkohr ziemlich weit hinten eingestiegen waren.
    »Ich schlag vor, Sie gehen mal nach hinten und schauen nach, ob sich die feine Gesellschaft dort niedergelassen hat«, bat er seinen jungen Kollegen und fügte an. »Sie können ja schon mal artig zu ›Pferdchen‹ grüß Gott sagen – oder zu Probost. Beide haben Sie ja schon kennengelernt.«
    Linkohr grinste, stand auf und ging, als der Zug sanft angefahren war, nach hinten, während sich Häberle der Landschaft zuwandte, ohne sie wirklich zu sehen. Noch vor Rosenheim, was vermutlich kurz vor halb neun sein würde, wollte er klare Verhältnisse schaffen. Denn wenn Probost, ›Pferdchen‹ und Horschak so kopflos das Hotel verlassen hatten, nachdem in der vergangenen Nacht am See ein Mord geschehen war, dann konnte dies kein Zufall sein. Dann hatte einer von diesen Herrschaften etwas damit zu tun. Oder doch nicht?, meldete sich eine Stimme in Häberles Kopf. Vielleicht war es Lambert gewesen, der seine Gespielin loswerden wollte. Immerhin war er erst spätabends aufgetaucht. Oder der Herr Doktor wusste mehr, als er über seine seltsamen Andeutungen hinaus mitteilen wollte. Und was, wenn alles ein Irrtum war? Wenn sie einem Phantom nachjagten? Wenn der Dreh- und Angelpunkt im fernen Peking lag? Häberle wischte die Zweifel beiseite. Er hatte sich eine eigene Theorie zurechtgelegt. Und die schien ihm plausibel zu sein – auch wenn sie noch nicht in allen Punkten logisch

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