Notbremse
das festgestellt?«
»Kein Problem heutzutage«, erklärte der Kriminalist.
Probost zuckte mit den Schultern. »Dann hatte er noch ein anderes Handy dabei.«
»Nicht, als er tot war.«
»Vielleicht hat er’s vorher verschwinden lassen. Oder …« – Probost dachte nach – »… oder jemand hat’s ihm im Zug weggenommen.«
»Der Mörder«, brachte es Fludium auf den Punkt. Probost schwieg.
»Immerhin«, machte der Kriminalist weiter, »scheint auch das Gepäck des Toten verschwunden zu sein. Wir haben nicht mal einen Aktenkoffer gefunden. Haben Sie denn einen gesehen?«
»Ick? Nein, aber nachdem die Notbremse gezogen war, ging alles Schlag auf Schlag. An Einzelheiten kann ich mich beim besten Willen nicht entsinnen.«
Fludium nickte verständnisvoll. »Okay. Nur noch eine letzte Routinefrage. Sie sind in Ulm zugestiegen?«
»Das ist richtig, ja.« Probost sah zur Uhr, die an der Fassade des Bahnhofsgebäudes befestigt war. »Ich hab in Ulm übernachtet. Im ›Maritim‹, falls Sie auch dies wissen wollen.«
»Dann waren Sie auf der Fahrt nach Stuttgart und kommen nun wieder zurück.«
»Wie ich schon sagte. Als Vertreter muss man sich nach den Terminkalendern der Auftraggeber richten.«
»Darf ich fragen, wo Sie vorher waren?«
Probost wandte den Blick nicht von der Bahnhofsuhr. »Ick hab gerade meine Bayern-Tour beendet«, sagte er ruhig. »Und mir einen ruhigen Tag in Kiefersfelden gegönnt.«
Fludium horchte auf, ohne es zum Ausdruck zu bringen. »Kiefersfelden«, wiederholte er tonlos. »Brenner-Autobahn, Kufstein und so«, gab er sich wissend. Kiefersfelden war in den Akten aufgetaucht. Er überlegte, ob er einen Frontalangriff wagen konnte, und entschied sich dafür: »Sind Sie Wassersportler?«
Probosts Gesicht verzog sich zu einem Lächeln, wie dies Menschen immer tun, wenn sie auf eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen angesprochen werden. »Sie ooch?«, fragte er zurück.
Fludium wollte nicht darauf eingehen. Sein Interesse galt eher dem Bergwandern. Er hatte sich deshalb vorgenommen, diese Gegend um Kiefersfelden auch mal als Ausgangspunkt für Wanderungen ins Auge zu fassen.
Probost merkte, dass er auf seine Gegenfrage keine Antwort erhoffen konnte. »Dort gibt es einen kleinen See mit einer Wasserskiliftanlage.«
»Sie waren dort?«
Probost begann, wieder mit dem Griff seines Aktenkoffers zu spielen. »Man gönnt sich ja sonst nischt«, grinste er. »Aber wieso interessiert Sie das?«
»Nur so. Wir wollen von allen Zeugen oder sonst wie Beteiligten wissen, welche Umstände dazu geführt haben, dass sie in dem ICE saßen.«
»Ick bin dann von Kiefersfelden mit dem Zug nach München, hab mich eine Nacht in Ulm aufjehalten und bin dann am anderen Morgen mit dem ICE nach Stuttgart.«
»Sie benutzen keinen Pkw?« Fludium hatte diese Frage schon lange stellen wollen.
»Nicht auf so langen Strecken«, erklärte der Berliner. »Ist viel bequemer. Außerdem kann ick mir mein Laptop mitnehmen und Abrechnungen und Bestellungen unterwegs erledigen.«
Fludium erinnerte sich an eine seiner letzten ICE-Fahrten. Er hatte gestaunt, wie viele Geschäftsreisende dort vor ihren Notebooks saßen. Immerhin war es von unterwegs möglich, sich ins Internet einzuloggen. Wenn der Kriminalist daran dachte, war er immer wieder aufs Neue fasziniert, welch gigantischen Fortschritt es mit der Funkübertragungstechnik in den vergangenen 15 Jahren gegeben hatte.
»Dieser See …«, kam Fludium wieder auf das Thema zurück, »… der ist dort unten sehr beliebt.«
»Ja, natürlich. Schöne Landschaft, immer wat los.«
»Man kennt sich auch schon – unter Wassersportlern?«
»Dat hält sich in Grenzen«, erklärte Probost und verzog das Gesicht wieder zu einem Grinsen. »Aber jeflirtet wird schon. Is’ doch normal, oder?«
»Sind auch Kollegen von Ihnen dort?«
»Kollegen? Keene Ahnung. Wenn ick jemand kennenlerne, frag ich nicht zuerst nach dem Job.« Er versuchte ein Lächeln. Fludium musste insgeheim einräumen, dass der Mann recht hatte. »Aber den einen oder anderen Namen merkt man sich vielleicht.«
»Wenn’s een attraktives Bienchen ist, vielleicht schon.«
Fludium sah die Gelegenheit gekommen. »Ulrike. Sagt Ihnen der Name Ulrike etwas? Ulrike Steinmeier.«
Probost sah Fludium erneut von der Seite an. »Ulrike«, echote er. »Nun ja, ob da eine Ulrike mal aufjetaucht is’, dat kann ick Ihnen auf Anhieb nicht mal sag’n.«
»So eine mit Pferdeschwanz. Schwarzhaarig.« Fludium lächelte.
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