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Notbremse

Notbremse

Titel: Notbremse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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unterschiedlicher Größe angeordnet waren, aus denen die Stimmen fröhlicher Menschen drangen. Sein Gastgeber hatte ihm gesagt, er solle geradeaus weitergehen. Dort werde er ihn in einem kleinen Raum erwarten. Der Deutsche war erleichtert, dass die Beschreibung passte. Vorbei an einer Vielzahl von Pflanzen und Wasserspielen sowie einigen rot-weiß gekleideten Mädchen entdeckte er eine offen stehende Tür, die den Blick auf einen schön gedeckten runden, aber kleinen Tisch freigab, an dem ein Mann im dunklen Anzug saß, der sich beim Näherkommen seines Gastes erhob und lächelte. Auf Englisch hieß er Mr. Hocke mit einem kräftigen Handschlag willkommen. Der Deutsche erklärte, dass die Freude auf seiner Seite sei und dass er die Idee, sich in diesem »very wonderful house« zu treffen, begrüße. Er bemühte sich, den Namen seines Gesprächspartners ›Zhao‹ nicht wie ›tschau‹ klingen zu lassen.
    Sie setzten sich an dem runden Tisch gegenüber, wechselten ein paar freundliche Worte und bestellten eine Flasche Wein. Hocke überlegte, wer wohl die Zeche bezahlen würde. Vermutlich er. Aber das spielte keine Rolle.
    Das Essen hatte Mr. Zhao bereits geordert. Hocke vermutete, dass es eines dieser Menüs sein würde, das man mitsamt vieler Beilagen und Soßen von einer Drehscheibe auf der Mitte des Tisches nehmen konnte. Ihm war dies noch von seinen wenigen Besuchen chinesischer Lokale in Deutschland geläufig. Außerdem hatte er im Flugzeug einen Reiseführer studiert, um sich mit den wichtigsten Gepflogenheiten vertraut zu machen. In einem Zeitungsartikel hatte er einmal gelesen, wie wichtig es für europäische Geschäftsleute sei, in China bestimmte Regeln zu beherzigen. Immerhin hatte man es dort mit einer völlig anderen Kultur zu tun, die sich in nahezu zweitausend Jahren der Abschottung nun präsentierte. Schließlich war das Kaiserreich, das sich im Laufe seiner Dynastien mit immer größeren und dickeren Mauern vom Rest der Welt abgekapselt hatte, erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts untergegangen. Damals, als sie – welch ein Wahnwitz – in Ermangelung eines älteren Thronnachfolgers einen Dreijährigen zum Kaiser gekürt hatten, dessen Mutter im Hintergrund die wahre Herrscherin war. Während in der westlichen Hemisphäre der Aufbruch in eine neue Zeit längst begonnen hatte, bedurfte es in China eines Umsturzes. Allerdings mündete dies letztlich in eine neuerliche Diktatur – in die von Mao Tse-tung, der 1948 die Macht übernahm und dessen Erbe noch heute die 1,3 Milliarden Chinesen im Zaume hält. Der Versuch, das System aufzubrechen, scheiterte 1989, als auf dem Platz des Himmlischen Friedens, dem größten Platz der Welt, die Studentenproteste blutig niedergeschlagen wurden. Hocke hatte sich vor seiner Abreise mit Kollegen darüber unterhalten, von denen einige bereits als Touristen in Peking gewesen waren. Sie hatten ihm von offiziellen Stadtführungen berichtet, in denen zwar die Geschichte Chinas angesprochen wurde – allerdings nur bis zu Maos Machtergreifung. Selbst beim Bummel über den Platz des Himmlischen Friedens sei von der chinesischen Reiseleiterin kein Ton über die Vorgänge im Jahre 1989 gefallen. Hocke hatte mit seinen Kollegen darüber diskutiert, wie wohl die inzwischen angerückte Investorenschar reagieren würde, wenn sich der Sommer 1989 wiederholen würde – also sich wieder ein Blutbad ereignete. Könnten es sich die internationalen Konzerne in so einem Fall leisten, nur der billigeren Löhne und damit des Profits wegen in diesem Lande zu bleiben? Andererseits stellte sich natürlich auch die Frage, ob die chinesische Regierung es wagen würde, noch einmal so zu reagieren und den dank ausländischen Kapitals entstandenen Aufschwung aufs Spiel zu setzen. Mit jedem Tag, davon war Hocke überzeugt, wuchs das Spannungspotenzial: hier in Peking, Shanghai und Hongkong die Reichen und eine Bevölkerung, die trotz niedriger Löhne einen gewissen Wohlstand zu spüren bekam – aber draußen im weiten Land die überwiegende Mehrheit von über einer Milliarde Menschen, die noch unter erbärmlichen Bedingungen lebte. Irgendwann musste man doch erkennen, welch gewaltige soziale Unterschiede es in diesem riesigen Land gab. Irgendwann, auch ohne Satellitenschüsseln und zensiertem Internet, würde das Volk erwachen. Dem Ausland freilich wurde zur Olympiade ein China gezeigt, das all sein Plansoll erfüllte, das explosionsartig aufstrebte und in dem es nur positive Superlative

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