Notbremse
»Rassig. Manche sagen auch ›Pferdchen‹ zu ihr. Macht auf Pharmazie.«
»Kann schon sein, dat ich sie mal jetroff’n hab. Aber mit Pharmazie hab ich nischt am Hut, müssen Sie wiss’n.«
»Der Name ist Ihnen nicht geläufig?«
»Nee.« Er verfolgte wieder den Sekundenzeiger der Bahnhofsuhr.
»Aber an eine Schwarzhaarige mit Pferdeschwanz erinnern Sie sich?«
»Mein Jott«, entfuhr es ihm. »Was glauben Sie, wat et da für Weiber hat! Da könnten Se jede mal vernaschen – oder so. Ob dat mal so ein ›Pferdchen‹ war …« Jetzt strahlte sein kugelrundes Gesicht. »… Dat weeß ick beim besten Willen nicht. Ick führ doch nicht Buch darüber.«
Fludium überlegte, ob der Kerl tatsächlich so ein Tausendsassa war, für den er sich hielt, oder ob beim zuletzt Gesagten eher der Wunschtraum der Vater des Gedanken war.
22
Konstantin Rieder wirkte nervös. Auch Linkohr fühlte sich unwohl.
»Und was denken Sie, was in dem Auto drin ist?«, gab sich Rieder selbstbewusst, nachdem ihm der junge Kriminalist erklärt hatte, dass Häberle den Mercedes am Irschenberg derzeit öffnen lasse.
»Wir wollen nur feststellen, ob der Wagen in irgendeinem Zusammenhang mit dem Verbrechen in der Mühle stehen könnte.«
»Verbrechen? Was soll denn das bedeuten?«
»Na ja«, erklärte der junge Kriminalist, »immerhin führt mit Ihrem Fahrer, dem Herrn Plaschke, doch eine gewisse Spur … sagen wir mal so … zu Ihrer Firma.«
Rieders Gesichtsfarbe veränderte sich. »Also ich muss doch sehr bitten, Herr Linkohr!« Abscheu über so viel Respektlosigkeit schwang mit. »Wenn Sie mich nun doch in die Nähe eines Verbrechens bringen wollen, bin ich nicht mehr bereit, mich länger mit Ihnen zu unterhalten. Dass wir uns da richtig verstehen.«
»Was glauben Sie denn, was man im Auto finden könnte?«, blieb Linkohr unbeeindruckt. Rieder zuckte mit den Schultern. Er war schweißgebadet.
»Wir werden es ja bald erfahren«, meinte der Kripobeamte, um dann abrupt das Thema zu wechseln: »Ringeltaube sagten Sie. Das ist Ihre Sekretärin. Wo können wir sie denn erreichen?«
Wieder zuckte Rieder mit den Schultern. »Versuchen Sie es doch bei ihr daheim. Sie wohnt in Lonsee – genau genommen in Halzhausen. Ist ein Teilort. Droben auf der Alb. Richtung Geislingen-Göppingen. An der Bahnlinie.«
Linkohr ließ sich die Adresse geben. »In einem Neubaugebiet. Sie hat dort eine Einliegerwohnung«, fügte Rieder hinzu.
»Wie muss man sich die Frau Ringeltaube vorstellen?«, hakte Linkohr nach, als er die Adresse auf seinen Notizblock geschrieben hatte.
Ein Lächeln huschte über Rieders Gesicht, während er mit beiden Händen die Armlehne seines Stuhles umklammerte. »Groß, blonde lange Haare, schlank. Ich glaub, sie ist 28 oder 29 Jahre alt.« Rieder ergänzte noch: »Alleinstehend. Single. Das erklärt vielleicht, dass man sie nicht immer zu Hause antrifft.«
»Ist Ihnen das schon mal passiert?«
»Was?« Der Mann war irritiert.
»Dass Sie sie zu Hause nicht angetroffen haben.«
»Telefonisch, meinte ich«, stellte Rieder richtig.
»Ein letztes Thema«, versuchte Linkohr den Mann aus der Reserve zu locken. »Man hört, dass Sie dann und wann Ihre Belegschaft und Mitarbeiter an einen See schicken …«
»Ja, das sind unsere Besonderheiten. Unser Unternehmen zählt nicht zu der Sorte, die von ihren Mitarbeitern Höchstleistungen erwartet und sie dafür mit gestrichenen Sozialleistungen belohnt.« Er holte tief Luft und schien endlich eine Gelegenheit gefunden zu haben, sich gut zu präsentieren. »Wir verfahren nach einem bestimmten Bonussystem, das den Mitarbeitern pro Jahr einige Wochenenden an einem See beschert.«
»In Kiefersfelden.« Jetzt war es raus. Linkohr glaubte, ein kurzes Blitzen in Rieders Augen zu erkennen.
Doch der Manager zögerte nur einen Moment und stellte mit fester Stimme klar: »Ganz genau. Kiefersfelden. Dort veranstalten wir aber auch Seminare und Fortbildungen. Manchmal auch kulturelle Events.«
Linkohr nickte verständnisvoll. »Und Sie? Sie sind dann auch dabei?«
»Wenn ich es einrichten kann, selbstverständlich. In so lockerer Atmosphäre gestaltet sich das Verhältnis zwischen Management und Mitarbeitern viel einfacher. Sie glauben nicht, wie viele innovative Ideen wir auf diese Weise schon hatten.«
Wenn das stimmt, dachte Linkohr, dann ist die ›Donau Pharma AG‹ ein geradezu vorbildliches Unternehmen. Allerdings war der junge Kriminalist schon lange genug im Geschäft und außerdem
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