Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Notbremse

Notbremse

Titel: Notbremse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
Vom Netzwerk:
Handschlag. Der Chinese gab sich würdevoll zurückhaltend. Seine lange weiße Leinenhose und sein weißes Hemd erinnerten Horschak an einen Arzt.
    »Darf ich Sie einem Freund des Hauses vorstellen?«, fragte Markus und deutete auf Horschak, der nun ebenfalls aufstand. »Kai-Uwe Horschak, ein begeisterter Wasserskifahrer«, fuhr der Geschäftsführer der Liftanlage fort. »Er kann Ihnen sicher viel beibringen.«
    Horschak lächelte und reichte dem Chinesen die Hand.
    »Und das ist Herr Lio Ongu«, erklärte Markus. »Er kommt sicher gerade von einer Geschäftsreise zurück.«
    Der Chinese lächelte und nahm die Aufforderung an, sich zu den beiden Männern zu setzen. Markus orderte drei Cappuccini und wandte sich an den neuen Gast: »Ich hab das doch richtig in Erinnerung – sie waren auf Geschäftsreise?«
    »Ja«, war das Erste, was der schüchtern wirkende Mann sagte. »Dubai. Sie kennen Dubai?«
    Markus schüttelte den Kopf. »Ich nicht, aber vielleicht Kai-Uwe.«
    »Dubai? Ja, wer kennt Dubai heutzutage nicht? Wer den wirtschaftlichen Aufschwung sehen will, muss nach Dubai – oder …« Er sah den Neuankömmling an. »Oder nach Peking. Nirgendwo auf der Welt wird derzeit so viel gebaut. Nirgendwo. Welcher Branche gehören Sie an?«
    »Chemie«, erwiderte der Chinese knapp. Horschak hatte den Eindruck, als wolle er nicht weiter danach gefragt werden.
    Dafür zeigte sich Markus aufgeschlossener: »Herr Ongu hat eine leitende Position bei einem Unternehmen in Meran. Er ist bis München geflogen und macht auf der Fahrt nach Südtirol bei uns ein Wochenende lang Station.« Und Markus fügte noch hinzu: »Was uns natürlich ganz besonders freut.«
    Horschak überlegte, was dies zu bedeuten hatte. Ein Chinese beim Wassersport an der bayrisch-österreichischen Grenze.
     
    Der Tunnel um Naturns herum, der vor einigen Jahren gebaut worden war, hatte die Verkehrssituation im Vinschgau entspannt. Häberle konnte sich noch gut entsinnen, wie er bei den Urlaubsfahrten nur im Schritttempo vorangekommen war, weil sich die Fahrzeuge von und zum Reschenpass durch diese enge Ortsdurchfahrt mit ihren Fußgängerampeln und Zebrastreifen hatten quälen müssen. Nun war dieses Nadelöhr beseitigt und man hatte – talaufwärts gesehen – zwischen der historischen Prokuluskapelle und der Abzweigung ins Schnalstal, an der das Schloss Juwal des Extrembergsteigers Reinhold Messner thronte, eine unterirdische Umgehung geschaffen.
    Marusso bog am Kreisverkehr jedoch nicht in den Tunnel ab, sondern steuerte direkt auf Naturns zu, von dessen beidseits steil aufragenden Berghängen bereits die ersten Lichter unzähliger Alm- und Berghütten herunterfunkelten. Links drüben, auf der wieder aktivierten Bahnlinie, fuhr ein hell erleuchteter Zug in Richtung Bozen. Bereits bei seiner letzten Reise hatte Häberle erfreut zur Kenntnis genommen, dass diese Bahn wieder fuhr, die die Höhenstufe nach Meran mit einem Kehrtunnel überwand – im Berg also eine Haarnadelkurve beschrieb. Außerdem hatte ihn der ganze Zugbetrieb an eine moderne S-Bahn erinnert. Dass die alten Bahnhöfe liebevoll restauriert worden waren, empfand er ebenso erfreulich wie die Tatsache, dass zur Reaktivierung der Strecke ein Unternehmen aus seiner Heimat beigetragen hatte: Leonhard Weiss aus Göppingen hatte nicht nur die Gleisanlagen saniert, sondern ist jetzt auch für sie und die Signaltechnik verantwortlich. Offenbar wurde in Südtirol ähnlich viel Wert auf gleisgebundenen Nahverkehr gelegt wie in der Schweiz, dachte Häberle wieder mal. Und er musste an die unzähligen Urlaubsaufenthalte in der Schweiz denken, wo er und seine Frau Susanne selbst in die entlegensten Täler mit der Eisenbahn gefahren waren. Undenkbar in Deutschland, wo derlei Strecken stillgelegt wurden und man inzwischen nur noch in Magistralen dachte – in Hochgeschwindigkeitsverbindungen, auf denen für Eisenbahnromantik oder ein schlüssiges Nahverkehrskonzept kein Platz mehr war.
    Als Marusso kurz nach dem Ortseingang, an der zentralen Omnibushaltestelle, den Blinker nach rechts setzte, wurde Häberle wieder aus seinen Träumen gerissen.
    »Wir sind gleich da«, erklärte der Staatsanwalt, fuhr am Gemeindehaus vorbei, auf dessen höher gelegenem Innenhof ein Eiscafé noch belebt war, und passierte ein großes Sport- und Wellnesshotel. Schließlich bog er noch mal ab und hielt an. »Dort«, Marusso deutete auf eine flache Reihenhausanlage, vor der im abendlichen Dämmerlicht prächtige Sommerblumen

Weitere Kostenlose Bücher