Notbremse
Kerlen gefeiert zu werden. Nein, das konnte er nicht mit ansehen.
Die Sonne, die langsam hinter den Bergen verschwand, blendete ihn. Doch dieser Mann, der hinter den geparkten Fahrzeugen aus einem Taxi stieg, erregte seine Aufmerksamkeit. Sabine und Markus schienen es zu bemerken. Sie drehten sich ebenfalls um und sahen den neuen Gast, der in bunten Bermudashorts und einem Blümchenhemd ein bisschen pummelig daherkam.
»Jetzt wird sich Ulrike aber freuen«, meinte Sabine, nachdem sie gesehen hatte, wer da auftauchte. Insgeheim jedoch rätselte sie, was Ulrike an diesem Mann so gefiel. Sie hatte in der Männerwelt beliebige Auswahl – doch ausgerechnet an ihm schien sie besonders interessiert zu sein. Vielleicht hatte er versteckte Qualitäten.
Horschak rätselte noch, wer der Mann war. Irgendwo und irgendwann hatte er ihn schon mal gesehen. Ganz sicher hier am See.
»Das ist mir eine schöne Detektei«, meinte Fludium einigermaßen entnervt. Er warf den Telefonhörer auf die Gabel. »Anrufbeantworter«, fügte er hinzu und griff wieder mal zu einer Tasse starken Kaffees.
Linkohr kratzte sich am Oberlippenbart. »Es kann auch alles nur ein Zufall sein«, überlegte er. Sie waren zwar über ihre Spielerei im Internet auf den Namen des angeblichen Anrufers aus China gestoßen. Doch brauchte dies natürlich nichts zu bedeuten. Es war nichts weiter als der verzweifelte Versuch, sich an einen Strohhalm zu klammern.
»Wenn uns der Knabe am Telefon etwas sagen wollte, dann hätt’ er ja wieder anrufen können«, meinte Linkohr und öffnete die Fenster des kleinen Büros nun ganz. Es war zum Abend hin schwüler geworden.
»Oder er traut sich nicht mehr«, entgegnete Fludium, der mehrfach wieder versucht hatte, dort anzurufen. Doch mehr als die automatische Ansage, dass der Angerufene vorübergehend nicht zu erreichen sei, bekam er nicht zu hören. »Wir haben doch keinen einzigen Anhaltspunkt, was dort abgeht. Vielleicht ist der Knabe auch längst tot.«
Linkohr fielen plötzlich die beiden Blätter ein, die die Beamtenanwärterin auf Fludiums Schreibtisch gelegt hatte. »Da war doch in irgendwelchen Telefonverbindungen von einer Nummer in Peking die Rede gewesen.«
Fludium nickte. Er hatte die unzähligen Listen schließlich durchgearbeitet und einige Nummern von den Kollegen der Sonderkommission prüfen lassen. Offenbar hatten die jungen Kollegen die ersten Ergebnisse schriftlich vorgelegt. Nachdem dies wortlos geschehen war, schien den Ermittlern nichts Besonderes aufgefallen zu sein.
Fludium hatte die beiden Blätter deshalb in der Euphorie, unter dem Namen ›Hocke‹ eine Privatdetektei ausfindig gemacht zu haben, unbeachtet liegen lassen.
»Ja, Peking«, erinnerte er sich und griff nach den Aufzeichnungen. »Das war eine Verbindung auf dem Handy des Toten«, bestätigte er und las nebenbei, was auf den Papieren stand. »Die Kollegen haben einen Dolmetscher ausfindig gemacht, der dort angerufen hat. Es meldet sich niemand.«
Linkohr seufzte. »Und diese dreihundertundnochmalwas Nummern, die aus dem Zug angerufen wurden? Was gab’s da für Auffälligkeiten?«
Fludium überflog das Geschriebene. Demnach hatten die Kollegen zunächst jene Nummern überprüft, die während der Durchfahrt des ICE auf der Geislinger Steige mit einem Anschluss in der näheren Umgebung verbunden waren. »Schau dir das mal an«, forderte er Linkohr auf und schob das Blatt schräg zu ihm hinüber. »Hier – da hat einer ein paar Minuten, nachdem der Zug angehalten wurde, mit einer Nummer in Ulm telefoniert. Und?«
Fludium hob seine Stimme.
»Da haut’s dir ’s Blech weg«, kommentierte Linkohr. »Mit der ›Donau Pharma AG‹.« Nach kurzem Staunen stellte er fest: »Mit Rieder.«
»Und den Namen des Anrufers kennen wir auch – aber der sagt uns wohl nichts, oder?« Fludium deutete mit dem Kugelschreiber auf den Namen.
»Horschak. Kai-Uwe Horschak, wohnhaft in Ulm«, las Linkohr. »Ist bisher in den Akten nicht aufgetaucht, oder?«
Fludium zuckte mit den Schultern.
Häberle hatte das Foto mit der halb nackten Blondine sichergestellt. Die Abenddämmerung war bereits weit fortgeschritten, als Marusso den Fiat-Van mit dem deutschen Kommissar und dem jungen Kriminaltechniker aus Bozen an Meran vorbei weiter talaufwärts steuerte. Während sie gerade Forst passierten, jene Ansiedlung an Merans Stadtrand, in der sich eine weithin bekannte Brauerei befand, unterrichtete Häberle seine beiden Kollegen in der Geislinger
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