Notbremse
gab jedes Mal ein Riesenspektakel – und einen Medienrummel dazu. Ein Glück nur, dass es schon 21 Uhr war. Während des Berufsverkehrs, wenn sich im Bahnhofsgebäude die Menschen drängten, hätte es womöglich eine Panik gegeben.
Der Kripochef hatte gerade erst den Hörer aufgelegt, da schlug das Gerät erneut an. Er meldete sich sofort und hörte die Stimme eines Bundespolizisten: »Wir haben jemanden, der gesehen hat, wer den Koffer hingestellt hat.«
»Sie haben … was?«, staunte der Kripochef.
27
»Das gibt’s doch nicht«, seufzte Fludium. »Eine Detektei, die sich im Internet großkotzig präsentiert – und dann kriegst du abends um halb zehn keinen mehr an die Strippe.« Er hatte inzwischen zigmal per Wahlwiederholung die Nummer angerufen. Es gab weder eine automatische Ansage noch eine Weiterschaltung auf ein Handy.
»Dabei steht hier ›Tag und Nacht für Sie da‹«, zitierte Linkohr aus dem Internet. Er fühlte sich schlapp und wollte eigentlich schlafen gehen. Aber seit sie auf diese Detektei gestoßen waren, glaubte er, nicht mehr lockerlassen zu dürfen.
»Es bleibt uns nichts anderes übrig, als bis morgen früh zu warten«, meinte Fludium, doch bevor sein Kollege etwas sagen konnte, schlug das Telefon an. Es war Häberle, der sich gerade mit dem Bozner Staatsanwalt Marusso auf der Rückfahrt von Naturns nach Bozen befand und von seinen neuesten Erkenntnissen berichtete – vor allem aber von der Visitenkarte, die auf eine Privatdetektei hindeute.
»Ach …«, entfuhr es Fludium. Er war mit einem Schlag wieder hellwach und sprang auf. Linkohr blieb zwar sitzen, war aber durch das Verhalten des älteren Kollegen ebenfalls aufgeschreckt.
»Wir sind auch schon dran«, gab Fludium zurück und berichtete von ihrem Zufallsfund im Internet. Nachdem sie beide der Meinung waren, zum ersten Mal eine greifbare Spur gefunden zu haben, wollte Häberle noch etwas anderes wissen: »Haben wir eigentlich alle Telefonverbindungen abgecheckt?«
»Alles, was sich machen ließ«, erwiderte Fludium.
»Auch von diesem … diesem Toten im Mühlenschrank, diesem …?«
»Plaschke«, half Fludium weiter. »Auch das. Ein paar Gespräche mit der ›Donau Pharma AG‹ – ist ja nichts Besonderes. Jedenfalls kein Gespräch, das er nach Südtirol geführt hätte – oder nach China.«
Linkohr wurde jetzt ungeduldig. Er empfand es als ärgerlich, nicht sofort in eine neue Situation eingeweiht zu werden. Zwar deutete er seinem Kollegen an, das Telefon auf Lautsprecher zu schalten, doch schien sich Fludium mit dem Gerät nicht auszukennen.
»Und sonstige Kontakte?«, wollte Häberle wissen.
»Vermutlich das Übliche, wohin Junggesellen so telefonieren. Mal eine Disco, mal eine Kneipe …«
»Keine Frauen?«
»Doch, die Kollegen haben zwei, drei Anschlüsse ermittelt. Polinnen und Russinnen. Auch Frauen aus der Ukraine. Sind wohl Nutten. Zumindest verkehren sie in zweifelhaftem Milieu.«
»Und Nummern von Ärzten, Apothekern und so?«
»Nichts. Auch nicht zu Gracia, falls du das meinst …« Fludium grinste zu Linkohr.
»Diese Kneipen und Discos«, machte Häberle weiter, »habt ihr die mal gecheckt? Sind das auch zweifelhafte Geschichten?«
»Was man so von ihnen hört, schon, ja«, erwiderte Fludium. »Wieso fragen Sie?«
»Weil mich interessieren würde, ob es dort Spielgeräte gibt.«
»Wieso denn Spielgeräte?«
»Das erklär ich euch später. Bitte prüft das nach.« Häberles Stimme ließ einen ungewohnten Befehlston anklingen.
Dann erklärte der Chefermittler, dass er die Nacht in einem Hotel in Bozen verbringen und am morgigen Freitag nach Kiefersfelden fahren werde.
Nachdem sich Fludium wieder gesetzt und aus der Kaffeekanne den inzwischen kalt gewordenen Rest ausgegossen hatte, berichtete er seinem jungen Kollegen von Häberles Bitte.
Linkohr konnte sich keinen Reim drauf machen. »Was bitt’ schön hat die Pharmaindustrie mit Spielgeräten zu tun?«
»Häberles Gedankengänge sind manchmal rätselhaft, das weißt du doch, oder?«
Der Abend war ungewöhnlich lau. Markus hatte den beiden Männern einen Caipirinha bestellt und für sich und Sabine je ein Glas Prosecco. Der Tag war für sie erfolgreich verlaufen. Horschak hatte inzwischen den ersten Eindruck über den Chinesen Lio Ongu revidieren müssen. Die anfängliche vornehme Zurückhaltung war mittlerweile einem verbindlicheren Ton gewichen. Sie prosteten sich zu und ließen die Gläser klingen. An der Startrampe des Lifts war die
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