Notizen aus Homs (German Edition)
für die Zellen in Empfang genommen, an die Betten gefesselt und dort über acht Stunden lang gefoltert. Mit Esstellern auf den Körper und den Kopf geschlagen. Der Neffe, Ali, stirbt unter der Folter. Eine Stunde nach Alis Tod wurde Z. in den Operationssaal gebracht und endlich operiert, es wurde versucht, das Bein wieder anzunähen, das immer noch teilweise dran war. Dann wurde er in die Zelle gebracht.
In der Zelle entzündete sich das Bein wegen der mangelhaften Behandlung; sechs Tage nach seiner Verhaftung entschied ein Militärarzt, dass man es abnehmen müsse.
In seinem rechten Bein drei tiefe Narben, Folgen eines Unfalls vor zwanzig Jahren. Er war schon behindert, sein rechtes Bein war 17 cm kürzer als das linke. Jetzt ist es das einzige, das ihm geblieben ist.
Mohammad Z. sagt: »Er ist der Einzige von hier, den wir kennen, der lebend aus dem Militärkrankenhaus zurückgekommen ist.«
Ich komme auf die Folter zurück. Z. erklärt mir: Die Henker haben keine Fragen gestellt, sie haben nur Beleidigungen von sich gegeben: »Ach, du willst Freiheit, hier hast du deine Freiheit!« Sie haben auch ihre Frauen beleidigt. Während der Folter bedeckte man ihm das Gesicht mit einer Decke, so dass er nicht sehen konnte, wer ihn schlug.
Man beschuldigte Z., zu den Waffen gegriffen zu haben. Er verteidigte sich: »Nein, das kann ich doch gar nicht, ich bin behindert.« Die Leute hier glauben, dass er deswegen überlebt hat.
Einer der Männer ist ihm mit beiden Beinen auf die Brust gesprungen. Sie haben Stricke an seinem verletzten Bein befestigt und es nach rechts und nach links gezogen. »Sie haben mir vieles angetan, aber ich erinnere mich nicht mehr.« Während dieser sieben oder acht Stunden wurden er und sein Neffe abwechselnd gefoltert. Es waren noch andere Gefangene im Raum, die schon gefoltert worden waren: »Diese Fälle waren schon erledigt.« Ein anderer, ungefähr sechzigjähriger Mann ist auch gestorben. Er war mit einer Schulterverletzung eingeliefert worden, sie haben ihn eine Stunde lang geschlagen, bis er tot war. Z. weiß nicht, wer er ist, er konnte nur anhand seiner Stimme sein Alter schätzen.
Die Henker kündigten jedes Mal an, dass sie gleich den Raum betreten würden, indem sie an der Türklinke rüttelten, und alle Gefangenen mussten ihr Gesicht mit ihrer Decke bedecken, sonst wären sie exekutiert worden.
Er ist sich sicher, dass die, die ihn gefoltert haben, keine Ärzte sind. Glaubt, dass es Mitglieder der Sicherheitskräfte sind. Er zeigt uns Narben an den Knöcheln und weniger gut zu erkennende an den Handgelenken, von den Ketten, mit denen er gefesselt war.
Z. war insgesamt 25 Tage im Militärkrankenhaus. Er hat niemand anders sterben sehen. Aber einem Gefolterten wurde der Rücken gebrochen.
Als Z. vor einer Woche freigelassen wurde, wurde er in den Justizpalast gebracht und verurteilt: Waffenbesitz, Anstiftung zur Demonstration, Unterstützung bewaffneter Gruppen, bewaffneter Aufstand etc. »Die Vernehmer schlagen dich, schlagen und schlagen, und am Ende findest du dich mit einer Liste von Anklagepunkten wieder, auf der du dich absolut nicht wiedererkennst.« Gegen Kaution freigelassen, dank der Amnestie, aber die Anklagepunkte bleiben bestehen [ die Amnestie wurde am 15. Januar 2012 von Baschar al-Assad erlassen, aber sie ist nie richtig in Kraft getreten ]. Von seinem Bruder im Taxi nach Hause geholt. Er muss sich in einem Monat beim Richter vorstellen, plant jedoch, einen Anwalt hinzuschicken, der ihn vertreten soll.
Auf einem Handy zeigt man uns ein Foto von Z., als er aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Gelbe Haut, grauer Bart, mitgenommene Gesichtszüge, leichenblass, aber sichtlich froh, am Leben zu sein. Man zeigt uns auch ein Foto von einem Mann, der von einer Granate getötet wurde, dem Vater eines der Männer hier, und ein Video von dem Vorfall. Brutal, Frauen brüllen, ein verzweifelter Mann schreit die ganze Zeit »Allahu akbar!« , man sieht mehrere Leichen aufgereiht, ein Mann trägt eine verletzte Frau zu einem Pick-up, sicherlich die Nachbarin. Ganz am Anfang sieht man Z. mit seinem herabhängenden Bein, wie er von Leuten in ein Auto gestopft wird.
Als wir gehen, sieht mich Z. mit glänzenden Augen an und wirft mir ein Küsschen zu. Dann sagt er: »Sie haben mich dort getötet. Ich hätte dableiben sollen.«
*
Gegen 14 Uhr, im Zentrum des Stadtteils, Protestdemonstration gegen den Bericht der Arabischen Liga, den die Leute
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