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Notizen einer Verlorenen

Notizen einer Verlorenen

Titel: Notizen einer Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Vullriede
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geschehen soll. Und wir alle haben einen guten Grund, aus dem Leben zu scheiden …«
    Kevin und auch Marc nickten ernst. Wenn das ihr Geheimnis war, hatte ich es bereits mitbekommen und tatsächlich hatte ich ein bisschen mehr erwartet.
    »Wir versuchen stets, uns an das geltende Recht dieses Landes zu halten. Dennoch ist die Grenze zu dem was wir tun – oder eben nicht tun – fließend. Deshalb …« Nun durchbohrte Buchheim mich mit seinen Augen. »… muss jeder, der im Haus der Verlorenen aufgenommen wird, den Schwur leisten, niemals einem Außenstehenden von unserer wahren Gemeinschaft zu erzählen, am besten überhaupt nichts. Für die anderen da draußen sind wir eine Selbsthilfegruppe. Was wir hier sonst planen oder befürworten, geht niemanden etwas an. Verstanden? Ein Verstoß gegen diesen Schwur gilt als Verrat und Verrat wird bestraft! Sind Sie bereit, diesen Schwur zu leisten?«
    Er sah mich so eindringlich an, dass ich nicht wagte zu fragen, welche Bestrafung ich mir vorstellen musste. Sollte ich mich etwa noch vor meiner Aufnahme in die Gemeinschaft nach den Folgen etwaiger Verstöße gegen die Regeln erkundigen?
    »Ich lese jetzt die Statuten vor und Sie werden sich zu ihnen bekennen. Lehnen sie auch nur eine ab, wird Ihnen die Aufnahme verwehrt. Die Strafe wegen Verrates gilt aber lebenslänglich!«
    Wie bitte? Wo war die Notbremse, die ich hätte ziehen können? Allmählich begann der Schweiß unter meinen Achseln, die Bluse zu durchfeuchten. Ich verspürte immer weniger Lust auf die Aufnahme in ihre Gemeinschaft, doch ich konnte nicht mehr Nein sagen.
    Buchheim öffnete sein schwarzes Buch und legte es so vor mich hin, dass ich mit ihm gemeinsam darin lesen konnte. Die erste Regel betraf das Verbot des Verrates und die Strafe. Das Ausmaß der Strafe wurde nicht genannt.
    »Werden Sie diese Regel anerkennen?«
    Ich konnte eindeutig nicht mehr zurück.
    »Ja.«
    »Im ganzen Satz, bitte!«
    Meine Stimme zitterte leicht. »Ja, ich erkenne sie an!«
    Er blätterte um. Seite für Seite erschienen neue merkwürdige Regeln, die ich laut und im ganzen Satz anzuerkennen hatte.

    Wer dem Verein beitritt, erklärt sich bereit, sein Lebensende selbst zu planen, vorzubereiten und die Durchführung so zu gestalten, dass die Gemeinschaft nicht in polizeiliche oder journalistische Untersuchungen hineingetrieben wird.

    Die Planung des Lebensendes ist dem Verein vor Ausführung offenzulegen, mit den Mitgliedern zu erörtern und von diesen mit mindestens einer Dreiviertel-Mehrheit zu genehmigen.

    Bei der Durchführung des geplanten Lebensendes ist es verboten, Außenstehende oder Vereinsmitglieder einer Gefahr auszusetzen. Bombenattentate, Massaker und dergleichen sind nicht erlaubt, Sachbeschädigungen in Grenzen zu halten.

    Der Tod ist selbst herbeizuführen, ohne direkte Mitwirkung von anderen. Die indirekte Inanspruchnahme von Mitgliedern oder Dritten ist erlaubt.

    Die Gemeinschaft wird Finanzen für eine angemessene Beerdigung bereitstellen.

    Das Mitglied hat zu Lebzeiten einen regelmäßigen Beitrag zu entrichten, der vom Vorstand jährlich neu festgelegt wird. Reichen die eingezahlten Beiträge für eine Beerdigung nicht aus, treten die anderen Mitglieder dafür ein. Überschüsse und Spenden der Mitglieder werden vom Verein erwartet und zu diesem Zweck zurückgelegt.

    Ein Austreten aus dem Verein ist nicht möglich. Einzige Möglichkeit zum Austritt ist der Tod.

    Weitere Regelungen werden in jährlichen Sitzungen erörtert und detailliert festgelegt und protokolliert. Das Mitglied hat diese, mit mindestens Dreiviertel-Mehrheit getroffenen weiteren Regelungen, zu respektieren und einzuhalten.

    Während ich jede, der mir vorgelesenen sonderbaren Regeln mit »Ja, ich erkenne diese Regel an« bestätigte, sah ich mich tiefer und tiefer in einem morbiden Sumpf verschwinden, aus dem ich mich kaum noch retten konnte. Was sie vereinte, war ein tödliches Spiel. Mehr noch, sie inszenierten ihren Tod. Sie spielten Theater, Drama, und das Drehbuch bestand aus den makabren Regeln dieses schwarzen Buches. Das Ende jedoch war real. Eine Strafe für Verrat? Wie würde so eine Strafe wohl aussehen?
    »Sie sehen recht blass aus. Wollen Sie sich lieber setzen?«
    Buchheim flüsterte es mir zu. Sein Atem berührte mein Ohr und er roch nach leerem Magen und getrunkenem Kaffee. Ich ließ mich auf den gepolsterten Holzstuhl hinter mir fallen.
    »Wir heben nun unsere Gläser und trinken auf unser neues Mitglied Sarah

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