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Notizen einer Verlorenen

Notizen einer Verlorenen

Titel: Notizen einer Verlorenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike Vullriede
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anschleicht, um mich nach seinem Dünken aufzufressen – finde ich das eine versöhnliche Aussicht. Was sollte man noch fürchten, wenn man die Stunde und die Art des eigenen Todes bereits kennt? Natürlich würde ich lieber leben! Wirklich! Aber ich kann es ja nicht.«
    Kevin neben ihr nickte zustimmend. »Bei mir war das anders. Ich wollte schon lange Schluss machen, aber die Angst vor diesem Schritt war einfach zu groß. Es ist die Ungewissheit, glaube ich, die uns Angst macht. Irgendwann wurde ich direkt vor meinem Fenster im Erdgeschoss Zeuge eines schrecklichen Unfalls. Ein Betrunkener aus dem vierten Stockwerk unseres Hauses fiel vom Balkon und schlug genau vor meinem Fenster auf dem Pflaster auf. Ich sah ihn für ein paar Minuten, wahrscheinlich waren es nur Sekunden, ohne dass jemand irgendetwas tat. Er sah so ruhig aus, so friedlich – völlig entspannt. Später erfuhr ich, dass er bereits tot war. Gleich am nächsten Tag nahm ich eine Überdosis Tabletten.«
    Die Geschichte mit den Tabletten! Inzwischen hatte ich mich von Buchheims Angriff etwas erholt und ich versuchte, ihn während dieser Unterhaltung zu vergessen.
    »Aber es funktionierte nicht?«, fragte ich.
    Kevin presste die Lippen zusammen. »Nein, das sollte man höchstens dann versuchen, wenn man ganz sicher ist, nicht gefunden zu werden. Ausgerechnet an diesem Tag bekam ich Besuch von meiner Schwester. Sie schöpfte sofort Verdacht, als ich nicht öffnete und sie ließ die Tür von einem Schlüsseldienst öffnen. Natürlich rief sie den Notarzt und sie pumpten mir den Magen aus. Das war's. Im Krankenhaus lernte ich übrigens Larissa kennen.«
    Sie lächelten sich gegenseitig schwermütig an. Larissa im Krankenhaus – sie hatte von einer Diagnose gesprochen. Ich fand es eigentlich unhöflich, sie danach zu fragen, doch dann überwand ich meine Bedenken.
    »Darf ich fragen, was … ich meine … welche Diagnose …«
    »Krebs!«, sagte sie mit fester Stimme.
    »Ach?!«
    Ich wagte nicht weiter zu fragen, an welchem Krebs sie erkrankt war und ich dachte an meine Migräne, die mich mehr als einmal an den Rand des Erträglichen getrieben hatte. Wie banal, Migräne gegenüber Krebs! Angesichts meiner abartigen Kopfzerreiß- und Kotzattacken konnte ich mir lebhaft ausmalen, was Larissa in ihrem jungen Alter durchstand. Ich schätzte sie auf siebzehn oder achtzehn, vielleicht war sie auch schon zwanzig, das konnte man schwer sagen. Auf jeden Fall war sie viel zu jung, um zu sterben. Und das wollte sie ja auch nicht. Sie wollte ja leben! Kevin strich ihr zärtlich über die Mütze, die sie stets auf ihrem Kopf trug.
    Plötzlich lag ein starker Arm um meinen Hals, kumpelhaft plump. Alex! Da war er also wieder. Der Mann, für den ich mich in dieses beklemmende Abenteuer geworfen hatte und von dem ich nichts wusste, als dass auch er sich umbringen wollte und dass er sowohl Comics als auch Marx las. Ich sah ihm in die blauen Augen und dachte sofort: Durchgeknallt! Dieser Mann ist total verrückt! Ihm fehlte diese Melancholie und Ernsthaftigkeit, die Larissa und auch Kevin umgab, völlig. Die beiden an der Bar gaben mir das Gefühl, dass sie genau wussten, was sie hier taten und dass sie auch ihre Gründe hatten. Alex aber, schien mir so unangemessen unbekümmert, als ginge es um nichts, als ein aufregendes Spiel, um das man sich keine weiteren Gedanken machen brauchte. Er sprühte vor guter Laune. Lachend drückte er mir einen schmatzenden Kuss auf die Stirn. Ob ihm überhaupt klar war, wie todernst Buchheim seine Regeln nahm?
    Während ich noch vergeblich aus seinem Gesicht zu lesen versuchte, wies Alex mit seinem Zeigefinger auf zwei ältere Herren, die sich weit von den anderen absonderten und ihre Köpfe verschwörerisch zusammensteckten. »Siehst du die da?«
    Zögernd folgte ich seinem Blick.
    »Die da … «, Alex rümpfte die Nase, »… die machen nichts mit, keine Ausflüge, keine Gespräche, keine Wortmeldung bei Sitzungen. Manchmal könnte man auch denken, sie sondern sich ab, weil sie zu feige sind.«
    Ich war überrascht. Cliquentum innerhalb einer solch eingeschworenen Gemeinschaft? Durfte es so etwas geben? Was sagte Buchheim dazu oder Franziska? Doch dann sah ich, wie Buchheim bei den beiden Unbeliebten Platz nahm und mit ihnen Tee trank.
    »Buchheim scheint mit denen aber keine Probleme zu haben«, bemerkte ich, bemüht, diesem Mistkerl einen Makel anzukleben, an dem sich Alex stören könnte.
    »Günter meine ich damit

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