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Notluegen

Notluegen

Titel: Notluegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Swartz
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warm. Der Himmel über dem Wasser sah aus, als hätte ihn jemand früh in der Morgendämmerung in Brand gesteckt und als brenne dieses weißglühende Feuer jetzt entlang des ganzen Horizonts; es sah aus, als würde das Feuer bald die blassgelbe Sonne darüber erreichen.
    Der Mann hatte keine Lust, auf die Uhr zu schauen. Ziemlich lange hatte er nach seiner Armbanduhr gesucht und sie schließlich unter dem Bett der Frau gefunden. Ein neuer Tag war angebrochen, sobald er die Tür zum Haus der Frau hinter sich geschlossen hatte, als hätte dieser Tag da draußen gestanden und auf ihn gewartet. Er begann in eine Richtung zu gehen, die, wie er meinte, zum Zentrum der Stadt führen musste, wo sich irgendwo sein Hotel befand, aber die Straße bog bald in eine ganz andere Richtung ab und er beschloss, sie zu verlassen und stattdessen eine der vielen Querstraßen einzuschlagen, die bereits so früh am Morgen voller Menschen waren.
    Die Stadt musste schon lange wach sein. In einem Hauseingang saß jemand und klopfte auf eine leere Holzwanne. An einem solchen Ort hatte ein Prinz hingerichtet oder zum letzten Mal gesehen worden sein können. Auf kleinen Grillrosten wurden Lebensmittel verschiedenster Art zubereitet; der Mann sah Fische in verschiedenen Farben und Größen, einige davon mit durchsichtigen, silbrigen Flügeln, da gab es lange Würste und blaue Fleischstücke, kleine Haufen mit marinierten Schmetterlingen oder Libellen, aber auch etwas, das aussah wie Aale (oder Schlangen), aufgeschnittene Eidechsen und verkohlte Frösche oder Grashüpfer; ständig wurde etwas Neues auf die Grillroste gelegt, aber nur selten sah er einen Kunden etwas kaufen. Gruppen von schnatternden Frauen zogen vorbei, und vor jeder Gruppe ging ein Mann mit einem kleinen gelben Wimpel. Jemand steckte dem Mann einen Zettel in die Hand. Im Keller eines Hauses brannten verschiedene Feuer, Männer mit nackten, schweißglänzenden Körpern schrien einander zu und bearbeiteten mit großen Schmiedehämmern Eisenstücke, an einem Ende weißglühend und am anderen schwarz und noch kalt, welche zwar langsam, aber sicher unter der Einwirkung der Hämmer und der Hitze von den großen Feuern gebogen und gebrochen werden würden; die Ambosse sangen unter den schweren Hammerschlägen, und draußen auf der Straße war es genauso heiß wie da drinnen an den Feuern; die Leute riefen ihre Waren aus oder ganz einfach wütend einander etwas zu, und in diesem Gedränge hielt der Mann ängstlich seine linke Hand auf der Brusttasche des Jacketts, wo die Brieftasche saß; eine dicke zahnlose Frau, in ein schmutziges Laken gehüllt, stand plötzlich mit ausgestreckter Hand vor ihm; an einem Stand hinter ihr schaukelte ein Papagei gemächlich auf seinem Stab vor und zurück und zog mit dem Schnabel einen Gewinn oder noch öfter eine Niete aus einem Bastkorb mit Losen; Kinder liefen barfuß zwischen den Ständen; ein Mohr, oder war es ein Sklave mit einem Turban, warf aus einem Sack Nüsse nach rechts und links; ein Bettler zeigte einen verkrüppelten Arm und einen Beinstumpf und zog den Mann mit dem nicht verstümmelten Glied am Ärmel, um sofort einen Obolus zu bekommen.
    Und plötzlich stand der Mann vor der Frau vom Vorabend. Einer solchen Begegnung wird oft eine Bedeutung zugeschrieben, die ein Mitwirken des Zufalls ausschließt, und sie ließ den Mann das versäumte Frühstück sofort vergessen.
    Eine ganze Brandmauer war bedeckt mit diesem Plakat, hier und da rissig oder abgeblättert, aber es stellte einwandfrei sie dar; der halb geöffnete Mund derselbe wie in der vorhergehenden Nacht, die Haare, welche weich um den Hals und über die Schultern fielen, auf dem Plakat blond statt schwarz, aber Hals und Schultern waren genau die ihren, ebenso wie die fein gebogene Nase, einem vornehmen Gondelsteven gleich. Die kräftigen Augenbrauen und ihre rostbraunen, etwas schrägstehenden Augen waren unverwechselbar, obwohl sie im Dunkel der Nacht schwarz gewesen waren, und von der Hausmauer herab sah die Frau dem Mann direkt in die seinen, als wolle sie wissen, was er gerade hier zu suchen habe, in diesem schrecklichen und vermutlich gefährlichen Teil der Stadt, weshalb er nicht zuerst ein ordentliches Frühstück verzehrt habe, warum er sowenig Geduld mit ihren Schränken und Schubladen gehabt habe.
    Auf dem Plakat waren auch Menschen zu Pferd abgebildet, aber so klein, dass man von der Straße her den einen Reiter nicht vom anderen unterschied; das einzige, was man von der

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