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Notruf 112

Notruf 112

Titel: Notruf 112 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Seifert , Christian
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ich gewusst hätte, was das für Folgen haben würde, hätte ich mir den Rückruf vielleicht doch noch mal überlegt.
    Am anderen Ende der Leitung herrscht verblüfftes Schweigen. Die Ruhe vor dem Sturm. Und dann die Rückfrage: »Was hat der? Die Feuerwehr angerufen? Mehrmals? Und Arschloch gesagt?«
    »Ja, so war das wohl.«
    »KEVIN. DU KOMMST SOFORT HER!«
    Ohoh, das klingt nicht gut. Im Geiste sehe ich einen kleinen Lausbuben im Alter von ungefähr acht oder zehn Jahren gerade mit feuerroten Ohren im Erdboden versinken. Und ich stehe augenblicklich selbst wieder in kurzen Hosen vor meinem zornbebenden Vater, dem zu Ohren gekommen ist, dass ich der Nachbarin eine größere Ladung Maikäfer in den Briefschlitz der Wohnungstüre geworfen habe. Sie hat mich natürlich sofort verpetzt, was ich ihr übrigens heute noch nicht verziehen habe.
    Und jetzt ist also Kevin fällig. Ich unternehme einen zaghaften Beschwichtigungsversuch: »Herr Scherer, ich wollte Ihnen ja nur Bescheid geben, dass …«
    »HAST DU GERADE ZU DEM FEUERWEHRMANN ARSCHLOCH GESAGT? WAG ES, MICH ANZULÜGEN, DU ROTZLÖFFEL, ELENDIGER!«
    Ich schätze mal, dass der kleine Kevin gerade schuldbewusst nickt, jedenfalls sagt er nichts. Stattdessen höre ich es zweimal trocken klatschen, gefolgt von lautem Wehgeschrei. Ohrfeigen! Gleich zwei Stück und die auch noch knallhart geschlagen. Das geht zu weit. Das habe ich nun wirklich nicht gewollt. Und schon werfe ich mich – gerade noch ganz Racheengel – für den armen Kevin in die Bresche: »Herr Scherer, lassen Sie es jetzt bitte gut sein. Es ist ja nichts passiert. Der Bub hat ja nur … «
    »Er wird Sie garantiert nie mehr belästigen. Entschuldigen Sie bitte vielmals. Grüß Gott und einen schönen Tag noch.«
    Aufgelegt. Und ich sitze da und fühle mich schlecht. Ich kann es einfach nicht ausstehen, wenn Kinder körperlich gezüchtigt werden. Das ist der falsche Weg. Punktum.
    Für weitaus wirkungsvoller und auch pädagogisch sinnvoller halte ich es, die kleinen Missetäter dazu anzuhalten, sich auf der Stelle am Telefon zu entschuldigen. Persönlich natürlich. Ich komme mir dann immer vor wie der Nikolaus, der den Kindern ihre Verfehlungen vorhält, selbstverständlich gleich darauf vergibt und sich dabei insgeheim vor Vergnügen kringelt. Mal ehrlich: Das Klingelmännchen steckt doch in jedem von uns, oder etwa nicht?
    Weitaus ärgerlicher finde ich die Zeitgenossen, die ihre superstylischen 800-Euro-Handys ohne Tastensperre in Hosen- oder Manteltasche spazieren führen und dabei nicht merken, dass sie permanent den Notruf wählen. So etwas passiert andauernd. Solche Geräusche hört jeder Disponent mehrmals täglich. Es hört sich an wie das entfernte Fauchen einer Dampflokomotive (das ist das Geräusch des Stoffes, der beim Laufen am Mikro reibt), untermalt von Klock-Klock-, Tack-Tack- oder Klick-Klick-Geräuschen (das sind die Schritte, abhängig von Schuhwerk und Bodenbeschaffenheit). Wenn man diese Kandidaten (übrigens fast immer Männer) zurückruft, kann man oft was erleben. Die Reaktionen reichen von »Entschuldigen Sie bitte vielmals, das ist mir sehr unangenehm« über »Machen Sie Witze?« bis hin zu den ungezogenen Varianten wie »Na und?« oder »Was willst du denn, du Opfer?«.
    Relativ unverschämt fallen zuweilen auch die Antworten aus, wenn wir die im System angezeigten Anruferdaten und Adressangaben im Ernstfall vorsichtshalber noch einmal hinterfragen. Es gibt nämlich solche Experten, die öfter mal umziehen, dies auch allen Freunden, der Oma und dem Pizzabotenmitteilen – nur eben leider ihrer Telefongesellschaft nicht. Manchmal dauert es auch einfach ein paar Wochen oder gar Monate, bis die Daten aktualisiert werden. Und gar nicht so selten nennen Anrufer vor lauter Stress versehentlich alte Adressen. Wegen solcher Fehler ist es schon vorgekommen, dass wir kilometerweite Umwege gefahren sind, nur weil die alte Adresse angezeigt wurde. So etwas kann unter Umständen sogar Leben kosten. Umso ärgerlicher ist es daher, wenn ich mir auf meine höfliche Rückfrage patzige Antworten wie diese einfange: »Warum fragen Sie mich denn so blöd, wenn Sie es eh schon wissen?« Sie denken, dass passiert nur selten? Weit gefehlt. Das passiert andauernd!
    Wie gesagt: Dickes Fell kann nie schaden.

Fleisch
    Ich hasse es, wenn jemand Lebensmittel leichtfertig verderben lässt oder nachlässig wegwirft. Da sträuben sich mir die Haare. Da bin ich ganz und gar ein Kind vom Land, wo schon

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