Notruf 112
den Leuten von der Münchner Feuerwehr und vom Technischen Hilfswerk ein Denkmal setzen. Die sollten bis zu ihrem Lebensende jeden Tag von der Stadt einen Kasten Bier spendiert bekommen.«
Kein schlechter Gedanke. Lasst euch bloß nicht aufhalten!
Drei Monate später – ungefähr zu Beginn der Weihnachtszeit – bekamen alle Beteiligten vom Rettungssanitäter bis hin zum Einsatzleiter und auch wir in der Leitstelle Post vom Münchner Oberbürgermeister. Eine vorweihnachtliche Bombenbescherung, mit der nun wirklich niemand gerechnet hatte. Inhalt: eine Flasche Rotwein, eine schöne, dicke Salami und eine Tafel Weihnachtsschokolade, versehen mit einem netten Brief: »… Ich hatte eigentlich vor, Sie alle zu einem Dankempfang in das Alte Rathaus einzuladen. Doch die große Anzahl derer, die rund um den 28. August im Einsatz waren, hätte drei Empfänge gefordert. Dennoch soll Ihr Einsatz keine Selbstverständlichkeit gewesen sein. Ich habe daher entschieden, allen Helfern ein Präsent zukommen zu lassen …« Vielen Dank, Herr Oberbürgermeister. Das hat uns wirklich gefreut.
Das Sekundenwunder
Der Inhalt einer Damenhandtasche gehört zu jenen weiblichen Mysterien, die wir Männer nie ergründen werden. Ich habe keine Ahnung, wie die Mädels das machen, immer zur rechten Zeit Taschentücher, Schnürsenkel, Ingwerbonbons, Kopfschmerztabletten, Notfalltropfen, Warzen-Ex, Nagelschere, Magnesiumtabletten, Gedichtbändchen, Ballerinaschuhe, feuchtes Klopapier, Taschenlämpchen, Süßstoff und so weiter zur Hand zu haben. Klar, dass in diesem sagenhaften Sammelsurium dann so unwesentliche Dinge wie Hausschlüssel, Führerschein oder Personalausweis gern für immer verschwinden. Aber das wäre ja wieder eine andere Geschichte …
Ein beeindruckendes Beispiel für das Mysterium Damenhandtasche liefert an einem warmen Juniabend eine patente junge Dame (20), die mitten in der Nacht von der Isar aus um Hilfe ruft. Genauer gesagt, ihren Freund um Hilfe rufen lässt. Denn ihr sind im wahrsten Sinne des Wortes gerade die Hände gebunden.
»Die Feuerwehr. Der Rettungsdienst. Guten Abend!«
»Ja, hallo. Hier spricht Mingolf, Max Mingolf. Ich rufe von der Tierparkbrücke an. Wir brauchen Ihre Hilfe. Meine Freundin Maria hängt nämlich am Geländer.«
»Ihre Freundin hängt wo?«
»An einem Metallgeländer!«
Ach du Schande, das Mädel wird doch nicht …
»Innen oder außen am Geländer?«
Im Geiste sehe ich eine junge Frau, die über dem reißenden dunklen Fluss hängt und sich mit letzter Kraft an das Geländer klammert. Ich überlege bereits, mit ein paar Mausklicks unsere Taucher zu alarmieren und alle Brücken stromabwärts besetzen zu lassen, und tippe gerade das Meldebild »Person im Wasser« in die Maske, da höre ich Max Mingolf lachen.
»Nein, nein, nicht was Sie denken. Sie sitzt auf dem Gehsteig. Aber sie klebt mit der Hand am Geländer.«
Aha. Ich verstehe mal wieder wenig bis nichts, lösche aber erst einmal den Wasserrettungseinsatz.
»Also hat sie sich eingeklemmt, oder was?«
»Nein, das nicht.«
»Ja, was denn dann?«, frage ich ein wenig gereizt. Der Mann kann jetzt aber wirklich mal auf den Punkt kommen.
Die Geschichte, die er mir dann erzählt und die von seiner Freundin im Hintergrund immer wieder bestätigt wird, klingt zu verrückt, um nicht wahr zu sein. Die beiden sind in der Nacht in den Isarauen spazieren gegangen. Dabei löste sich Max’ Schuhsohle. Rein zufällig (zufällig!) hatte Maria eine Tube Sekundenkleber in ihrer Handtasche. Der Einfachheit halber behielt Max den Schuh an, während Maria hinter ihm auf dem Boden kniete und sich als Gelegenheitsschusterin versuchte. Klappte auch ganz gut, aber …
»Im Dunkeln hat sie nicht gemerkt, dass ihr der Klebstoff in die rechte Handfläche gelaufen ist. Und dann ist es eben passiert …«
Nach erfolgreicher Reparatur hat sich die Germanistikstudentin nämlich mit der rechten Hand am Metallgeländer hochgezogen. Und das war’s dann. Sekundenkleber klebt – wie der Name schon sagt – in Sekunden. Haut und Geländer bildeten blitzschnell eine fatale Einheit. Und Maria klebte fest. Zupfen, ziehen, reißen, heulen – alles zwecklos. Es tat ihr nur weh, aber frei kam sie damit nicht. Und da war sie schon, die Angst …
Nach einer halbstündigen tränenreichen Diskussion rief ihr Freund zunächst die Polizei. Zu sechst standen die Beamten am Ende um Maria herum und versuchten, ihre Handinnenfläche mit der Spitze eines Taschenmessers
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