Notrufsender Gorsskij
Ereignis schon zurück? Zehn Jahre?
Fünfzehn Jahre? Wir hatten kurz vor dem Abschlußexamen der GWA-eigenen Hochschule gestanden. Vierundzwanzig Se mester mit einem derart umfangreichen Lehrpensum, daß man kaum einige Stunden schlafen konnte, hatten wir fluchend, verhalten schimpfend, vor allem aber mit verbissenem Eifer abgesessen. Erst danach waren wir Schatten der größten und mächtigsten Geheimdienstorganisation der Erde geworden.
»Warum haben Sie auf den Kopf gehalten?« dröhnte Torpentoufs Stimme aus den Lautsprechern. »Der Rumpf ist bekanntlich leichter zu treffen.«
Hannibal sprach einfach in die Luft. Es gab genug hochwerti ge Richtstrahlmikrophone, die sogar den leisesten Schnaufer auffin gen und ihn auf Band speicherten.
Bei der GWA wurde niemals etwas übersehen! Wenn hier trainiert wurde, legte man auch Wert auf die Verhaltensweise eines Schützen. Atmete er zu laut, zu hastig, dann war das für unsere Spezialisten schon ein äußerst bedenkliches Zeichen.
»Er trug eine halsschützende und beckenumschließende Pan zerweste«, erklärte Hannibal.
In den Lautsprechern krächzte es. Sein ohnehin posaunenlautes Organ schien von der glühenden Nachmittagssonne durch die Austrocknung seiner Stimmbänder angegriffen zu sein. Es klang, als hustete jemand in ein leeres Benzinfaß.
»Ausgezeichnet«, lobte der Chef des Henderwon-Sicherheitsdienstes, Brigadegeneral Mike Torpentouf. »Trotzdem, mein Guter, haben oder hätten Sie den falschen Mann getroffen, denn die vierte Scheibe von links zeigt einen Baumstamm, hinter dem Kopf und Schulter eines Gewehrschützen zu erkennen sind. Den hätten Sie zuerst mitsamt Baum annehmen müssen. Ihr fiktiver Gegner, den Sie getötet haben, wollte erst zur Waffe greifen. Allerdings – bei fünfzehn gleichzeitig auftauchenden Motiven unterschiedlichster Gefahreneinstufung ist es nicht …«
»Sie übersehen etwas, Mike«, unterbrach Hannibal.
Er schob fünf Mikroraketen in das Magazin seiner getarnten Thermorak, getreu nach dem Grundsatz: Vergiß nie nachzuladen. Nütze jede Feuerpause dafür aus, auch wenn sie nur Sekunden dauert. Ein Geschoß mehr im Magazin kann entscheidend sein. Wirf halbgeleerte Magazine beim Austausch gegen volle niemals weg, nur weil du meinst, du hättest keine Zeit, sie einzustecken. Du hast Zeit!
Lehrsätze dieser Art hatten sich tief in unser Bewußtsein eingegraben. Sie hatten sich draußen, im Dschungel des Abwehrkampfes gegen menschliche und nichtmenschliche Gegner, hervorragend bewährt.
»Übersehen?« erkundigte sich Mike. Sein vollwangiges Babygesicht drückte Verblüffung aus.
Sein Gebaren war ebenso zwanglos wie unseres, denn es handelte sich nicht um eine offizielle, dienstliche Übung, sondern mehr um ein Vergnügen unter Freunden.
Mike, erst kürzlich zum General befördert, würde uns wohl nie vergessen, wie wir ihn und seine Drillinge aus der Gewalt des chinesischen Abwehrchefs befreit hatten.
Fo-Tieng, heimlicher Besitzer einer marsianischen Zeitmaschine, hatte die Gefährlichkeit der beiden übersinnlich begabten GWA-Telepathen HC-9 und MA-23 zwar gut gekannt und sie auch keineswegs unterschätzt, trotzdem war ihm ein kleiner Fehler unterlaufen.
Seit dem 11. Juli des Jahres 2010 herrschte in den geheimen Tiefbunkern der Großasiatischen Abwehr ein anderer Mann; ei ner, der es sehr bedauerte, daß sich sein Vorgänger derart »danebenbenommen« hatte.
Wäre es Fo-Tieng dagegen gelungen, aus Mike Torpentouf die letzten Hinweise für die Bedienung des Marsgerätes herauszuho len, hätten die Geschehnisse mit tödlicher
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