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NOVA Science Fiction Magazin 19 (German Edition)

NOVA Science Fiction Magazin 19 (German Edition)

Titel: NOVA Science Fiction Magazin 19 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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mir sagen musste, dass Vorsicht angebracht sei, konnte ich mich
nicht beherrschen. Manchmal wissen wir im Traum, dass wir träumen, aber wir müssen
trotzdem vollziehen, was der Demiurg für uns bereithält.
    „Die Legitimation
des Zentralen Rates ist zweifelhaft. Und sie wird durch Maß-nahmen wie die von
Ihnen geschilderte nicht gefördert.“
    „Sie haben so viel
politischen Verstand wie ein kleines Kind.“ Er schien sich zu amüsieren, wie er
das sagte. „Ein Mädchen wie Pâ könnte Sie an die Wand argumentieren. Vor allem
kehren Sie die Beweislast um. Sie meinen, der Zentrale Rat bedürfe der
politischen Legitimation, um die Anlage im Pazifik zu betreiben. In Wahrheit
ist es genau anders herum: der Zentrale Rat betreibt die Anlage, von der bis
auf weiteres das Überleben der Menschheit abhängt. Das allein legitimiert seine
politische Macht.“
    „Die Gruppe der
Städte, die sich dieser Macht zu entziehen suchen, wächst mit jedem Tag.“
    „Das sind Narren,
die aufgrund staatsrechtlicher Empfindsamkeiten herumzündeln. Es darf keinen
Bereich geben, der der demokratischen Kontrolle entzogen ist, sagen sie. Dabei
hat es immer Ebenen gegeben, die dem profanen Für und Wider unzugänglich waren.
Das Gottesgnadentum der Kaiser und Könige war ein Ausdruck für die Enthobenheit
des Monarchen über die Parteiungen.“
    „Und Ihr
Gottesgnadentum ist das Diplom der Physikalischen Fakultät. Es macht sogar
unsterblich.“
    Der Alte atmete
hörbar aus. Er schien zu überlegen, ob nicht vielleicht auch er sich zu weit
vorgewagt hatte. Aber das Gespräch hatte sich längst verselbständigt. Die
Figuren waren aufgestellt, die Züge vorgezeichnet. Jetzt mussten wir spielen.
    „Die Vorgänge, von
denen wir hier reden, sind von großer Komplexität. Eine Nanosekunde ist ein
grober Zeitraum, verglichen mit der Exaktheit, die beim Betrieb dieser Anlage
zu beachten war und weiterhin einzuhalten ist. In einer demokratischen
Gesellschaft wird es immer schwieriger, Entscheidungen von solcher Abstraktheit
zu vermitteln und überhaupt zu vernünftigen Diskursen zu kommen.“
    „Sie wollen ...“ Ich
verstummte.
    „Sie können reden.“
    „Sie wollen die
Union als demokratische Gesellschaft bezeichnen?“
    „Jede Gesellschaft
ist insofern demokratisch, als sie ihr Volk in einem Minimum an Zufriedenheit
halten muss, um Aufstände zu vermeiden. Keine Regierung, auch eine totalitäre
Diktatur, kann vollkommen gegen ihr Volk regieren. Sie braucht eine Nomenklatur,
auf die sie sich stützen kann, und sie braucht das Stillhalten der Massen. Auch
wir brauchen die Bevölkerung. Wir benötigen Tausende von Technikern, die diese
gewaltige Anlage warten und noch über Generationen in Betrieb halten. Aber das
Volk ist immer weniger willens, die Abläufe, um die es geht, zur Kenntnis zu
nehmen. Die Masse in den großen Städten, die sich in der Erde eingegraben
haben, begreift die Mechanismen nicht. Sie weiß gar nicht, dass die Anlage
existiert. Das Volk ist noch nicht bei der kopernikanischen Revolution
angekommen. Es denkt geozentrisch. Was ist passiert? Es ist eben dunkel.
Atomarer Winter. Die da oben haben die Sonne ausgeknipst. Hoffen wir, dass sie
wieder angeht. Was geschieht, wenn es zum Bürgerkrieg kommt? Wenn die Anlage im
Pazifik gestürmt und besetzt - oder zerstört wird? Die Union weiß, dass sie mit
aller Gewalt, um jeden Preis die Kontrolle über den Hauptreaktor behalten muss.
Sie wird die Schrauben immer weiter anziehen, weil es hier um Dinge geht, die
nicht zur Disposition gestellt werden können. Gerade das seh-en die
geistreichen Anarchisten im Süden mit ihrem dezidierten Anti-Dezisionismus
nicht ein. Eine Atomanlage dieser Dimension funktioniert, oder sie funktioniert
eben nicht. Das ist nichts, worüber man diskutieren kann.“
    Er stand auf und
ging im Zimmer auf und ab. Vorübergehend hatte er sich in Rage geredet. Er
schaltete den CommCorder an der Bar aus, der dort noch immer sein stilles
Geflacker verbreitet hatte, und löschte einen Teil der Beleuchtung.
    „Nach Hobbes beruht
die Gleichheit der Menschen darauf, dass jeder jeden umbringen kann“, dozierte
er, zwischen Tisch und Theke hin und her wandelnd. „Eine Auffassung von
Demokratie, die der unseren entspricht: der zitternde Balken zwischen den
Waagschalen Anarchie und Diktatur.“
    „Versuchen Sie mal
den Präsidenten des Zentralen Rates umzubringen.“
    Wenn unser Gespräch
abgehört worden wäre, hätte man daraus die Aufforderung zur

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