Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
NOVA Science Fiction Magazin 19 (German Edition)

NOVA Science Fiction Magazin 19 (German Edition)

Titel: NOVA Science Fiction Magazin 19 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
Vom Netzwerk:
rechte Hand zum Mund und fing an
auf einem Nietnagel an ihrem Zeigefinger herumzukauen. Abwesend saugte sie dann
daran, schmeckte Blut und dachte drauf los. Das ist nicht meines, dachte sie.
Puppen sind blöd. Puppen sind kalt und dumm und stumm und aus Plastik. Warum
baut man ihnen Häuser?
Ein zweites Licht schien in die Dunkelheit hinaus, links unten. Reena kaute weiter
auf ihrem Zeigefinger herum. Das vordergründige Licht verwandelte das Dahinter
hinter dem Puppenhaus in Tintenschwärze. Hatte sich da nicht etwas bewegt? Als
habe der Wind einen Vorhang so bewegt, dass man glauben konnte, es verberge
sich ein Unhold in dessen Falten?
    Die
restlichen beiden Räume wurden illuminiert. Reena war, als würde das Licht in
unzähligen Prismen gebrochen und vervielfältigt, Prismen, die an
Miniaturlüstern hingen, die in Miniaturballsälen von der Decke baumelten. Egal.
Puppen sind blöde! Zubeißen, saugen, schlucken, Puppen sind wirklich zu nichts
nutze! Und trotzdem. Ein Schritt nach vorne, zwei Schritte nach vorne. Drei,
vier, fünf. Das Haus wuchs aus der Dunkelheit. Die Tür war weit entfernt. Reena
sah über die Schulter. Weit entfernt, viel weiter als die Tür zum Puppenhaus,
und die Dunkelheit wurde zu einem tiefen schwarzen Meer, in dem man allzu
leicht unterging. Keine Untiefen weit und breit. Noch zwei Schritte, dann
kniete sich Reena vor den niedrigen Tisch. Da gab es ein Stück Bürgersteig vor
dem Haus, mit Kunstbäumchen links und rechts neben dem Eingang, zu dem vier
Stufen empor führten. Ein kleiner goldener Türklopfer hing an einer schwarz
lackierten Tür. Messing, berichtigte sich Reena, es wird Messing sein. Niemand
hat goldene Türklopfer. Welch Verschwendung. Dann beugte sie sich vor und
spähte in die Fenster hinein.
    Es
war ein durch und durch traditionelles Haus, mit traditionellen
Puppenhausmöbeln, äußerst kunstfertig aber leblos. Schellackpüppchen saßen an
Tischchen, beugten sich über Kinderwiegen, saßen auf einem Chippendalesofa oder
in Lehnsesseln, schmauchten winzige Meerschaumpfeifen und lasen
Miniaturzeitschriften. Reena war abgestoßen und fasziniert, gelangweilt und
neugierig gleichermaßen. Sie hätte nicht sagen können, warum sie ihren Blick
nicht abwenden konnte, obgleich ihr das hier inszenierte Leben bis ins Mark
fremd war. Auf einmal blitzte etwas hinter der Szenerie auf. Das matte Weiß
eines Augapfels schimmerte feucht in dem Licht winziger elek-trischer Birnen.
Die Pupille war dunkel. Das Auge sah Reena an. Sie fuhr zurück. Für
einen Moment war sie ein Reh, das im Scheinwerferlicht eines herannahenden
Wagens weder vor noch zurück konnte, doch bevor sie über die Motorhaube flog
und mit zerschmetterten Knochen auf schadhaftem Asphalt liegen blieb, kehrte
die Neugier zurück. Sie beugte sich wieder vor und starrte in die Dunkelheit
hinter den Zimmern.
    „Wer
bist du?“
    „Ich
heiße Paul.“
    „Was
willst du hier?“
    „Ich
möchte dir etwas zeigen.“
    Reena
schwieg. Dann biss sie wieder auf dem Nietnagel herum. Ausgiebig.
    Paul
schwieg. Er hatte Zeit.
    „Warum?“
Reena wischte sich die Spucke und das Blut mit einem Zipfel ihres
Rockes vom Finger.
    Paul
zuckte mit den Achseln. „Bist du gar nicht neugierig, was ich dir zeigen
möchte?“
„Nein. Ist einerlei. Ich interessiere mich nicht sonderlich für draußen.“
Auf einmal explodierte ein grelles Licht, und sie fand sich auf den Stufen des
Puppenhauses wieder, neben sich einen jungen Mann mit zerstrubbelten braunen
Haaren und einem Vier-Tage Bart. Er hielt ihr seine Hand hin. Sie sah auf die
Hand, dann zu ihm, dann griff sie zu, hastig, bevor er das Angebot zurückziehen
konnte. Sie sah zu ihm hinüber, er war nicht viel größer als sie, war
schlaksig, und seine Beine wirkten wie zwei Zahnstocher in den engen Jeans.
Sein verschmitztes Lächeln passte gut zu ihrem Erdbeerrock, es war ähnlich
fröhlich. Sie gluckste in sich hinein.
    „Und
jetzt?“ fragte sie, als ihre Hand heimisch geworden war in seiner, warm und
vertraut.
„Anklopfen, aufmachen, eintreten.“
    „So
simpel?“
    „Kann’s
manchmal sein, ja.“
    Reena
stieg eine Stufe hoch und streckte die Hand nach dem Türklopfer aus, dann
drehte sie sich im letzten Moment herum. „Was, wenn uns nicht aufgetan wird?
Wenn die uns nicht haben wollen?“
    Paul
grinste. „Das sind nur Puppen, dumme, stumme Puppen, die zu nichts nutze sind.
Wie sollten die uns schon aufhalten können?“
    Reena
sah ihn irritiert an. Konnte er Gedanken lesen? Sie

Weitere Kostenlose Bücher