Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
NOVA Science Fiction Magazin 19 (German Edition)

NOVA Science Fiction Magazin 19 (German Edition)

Titel: NOVA Science Fiction Magazin 19 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
Vom Netzwerk:
ruhte.
Es sah in die Runde, verwirrt, hilflos, voller Angst. „Daddy“, begann es zu
schreien, „Daddy, wo bist du? Hilf mir, bitte, bitte, Daddy, ich hab solche
Angst!“
    Paul
stieß Reena an. „Schnapp dir die Kleine und dann raus hier.“
    „Ich
kann nicht.“
    „Wieso
nicht?“
    „Sie
muss selber den Weg finden.“
    „Sie
kann es alleine nicht schaffen.“ Paul wurde sauer. Grob stieß er Reena zu
ihrem Kind-Ich hinüber. „Jetzt nimm sie gefälligst. Sie ist du. Willst du dich
wirklich so im Stich lassen?“
    Reena
stolperte zu dem zerteilten Baumstamm. Sie stand jetzt direkt vor dem Kind.
„Komm mit“, sie hielt ihm die Hand hin. „Wir gehen ins Haus zurück. Es ist
gefährlich hier draußen.“
    „Du
bist nicht Daddy!“ brüllte das Kind. „Ich darf nicht mit Fremden gehen.“
    „Ich
bring dich zu ihm“, log Reena, „das ist ok.“
    Als
sich die ersten Stücke des Baumstammes in Luft auflösten, wartete sie nicht
mehr. Mit einem Ruck entzog sie dem Kind die Säge, dann nahm sie es an die Hand
und zerrte sie mit sich zu Paul hinüber, der wie ein Wegzeichen im Nichts dort
stand, wo sich das Unterholz befunden hatte.
    Er
zeichnete mit dem Finger die Umrisse einer Tür in die Luft, wartete einen
Moment, bis sich eine weiße, schlecht lackierte Oberfläche mit einem Daumenabdruck
im Lack gebildet hatte und stieß sie dann auf. Alle drei fielen nacheinander
durch die Tür auf den Flur hinaus. Während sich Paul und Reena aufrappelten,
schoss das heulende Kind an ihnen vorbei, die Treppe hinunter und aus dem Haus.
     
     
    3. Leben
     
    „Was
wird mit ihr?“ fragte Reena.
    „Sie
wird zurückkommen. Sie kommen immer wieder.“ Paul lächelte sein
Schul-jungenlächeln, doch es verfehlte seine Wirkung.
    Reena
wandte sich ab. „Verlasse dieses Haus, Paul und komm nie wieder.“
    „Hast
du dich entschieden? Weißt du was du jetzt machen willst?“
    „Selbst
wenn ich es wüsste, wüsste ich nicht, was es dich angehen sollte.“ Reena stand
an dem kleinen Flurfenster und blickte auf den Bürgersteig und das Stück Straße
davor.
    „Ich
muss es meinem Auftraggeber sagen.“
    Reena
drehte sich zu ihm um. „Auftraggeber?“ wiederholte sie fassungslos. „Wer hat
dich geschickt?“
    „Kannst
du es dir nicht denken?“
    Reena
schüttelte den Kopf.
    „Deine
Mutter. Denn sie macht sich Sorgen um dich. Jeden Tag sitzt sie an deinem Bett
und wacht und wartet auf ein winziges Zeichen. Und jedes Mal, wenn sich deine
Augen hinter den geschlossenen Lidern bewegen, merkt sie auf und redet mit dir.
Sie hält deine Hand. Sie ist immer bei dir.“
    Reena
wich zurück, bis sie mit dem Rücken an die Flurwand prallte. „Ich glaube dir
nicht.“
    „Sie
liebt dich. Und sie bittet dich um Verzeihung, jeden einzelnen Tag.“
    „Ich
glaube dir nicht.“
    „Bitte,
was kann ich ihr sagen, wenn ich zurückgehe?“
    Reena
schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht. Ich kann nicht vergessen. Ist das denn so
schwer zu verstehen?“
    „Du
musst nicht vergessen. Aber du kannst dich davon frei machen.“
    Sie
verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich gehe jetzt. Ist mir egal, was du ihr
sagst. Sind ja eh nur Worte.“ Dann stieg sie die Treppe hinunter, verließ das
Haus und ging ein paar Schritte. An der Straßenecke sah sie eine Bushaltestelle
und einen orangefarbenen Ticketautomaten. Eine alte Frau stand davor und mühte
sich, einen Zehner in den Geldschlitz zu schieben, doch der Automat spuckte den
Schein immer wieder aus. Die alte Dame wurde hektischer. Leise murmelte sie vor
sich hin, während sie mit zitternden Händen das Geld glättete und es von neuem
versuchte. Weiterhin erfolglos.
„Kann ich helfen?“ sprach Reena sie schließlich an. Sie konnte das Schauspiel
nicht mehr länger mit ansehen. Sie wusste selber, wie schnell man unter Druck
geraten konnte. Und sich von einer Maschine zum Affen machen lassen - das war
etwas, wovor es ihr selbst graute.
    „Oh
das wäre sehr nett, junge Frau, sehr freundlich von Ihnen!“ Die alte Dame
drehte sich zu Reena und lächelte ein pergamentenes Lächeln. „Sehen Sie, ich
möchte meine Tochter besuchen, sie liegt im Krankenhaus, wissen Sie?“
    Das
erstaunte Reena nun doch. Mit dem weißen altmodischen Cape und den
langen Handschuhen an den welken Armen hätte sie die alte Dame eher auf dem Weg
zu einem Ball vermutet. Es war ein schönes Cape. Schwerer, cremefarbener Brokat
mit goldenen Litzen dort, wo die Arme herausschauten. Dazu ein goldenes
Abendhandtäschchen.

Weitere Kostenlose Bücher