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NOVA Science Fiction Magazin 19 (German Edition)

NOVA Science Fiction Magazin 19 (German Edition)

Titel: NOVA Science Fiction Magazin 19 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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erschien.
    Seine
zweite Mutter war der Engel aus Kunststoff und Metall, der ihn in seiner
Kindheit behütet und ihn alles über Genetik, Quantenphysik, Nanotechnologie,
Neurologie, Informatik, aber auch Philosophie, Soziologie, Psychologie und
Mathematik gelehrt hatte, um ihn zu seinem vorbestimmten Ziel zu führen: Aus
der zwar langlebigen, doch letztlich sterblichen Androidin seine dritte Mutter
zu erschaffen.
    Als
Goë fünfzehn Jahre alt war, kamen sie überein, dass eine isolierte, körperliche
Hülle letztlich immer sterben würde.
     
    Die
Sonne, zu rot und zu hell für das organische Auge, versah die Türme der Kolonie
mit violetten Schatten, färbte auch das milchweiße Gesicht seiner Mutter zart
rosa. Er deutete auf die Aussicht.
    Dies
alles sei tausende von Jahren alt, sagte er.
    Seine
Mutter widersprach. Die meisten Gebäude seien lange nach ihrer Geburt errichtet
worden. Sogar in ihrer ersten Inkarnation als organischer Mensch habe sie ganze
Straßenzüge erstehen und wieder vergehen sehen.
    Das
meine er nicht. Es sei die Stadt als solche, die schon seit über fünftausend
Jahren bestehe. Sie verändere sich, tausche Menschen und Häuser gegen neue, so
wie ein einzelner Mensch ständig Zellen und Atome ersetze. Aber die Stadt als System sei gegen ihre Umwelt stabil. Es müsse - so fuhr er fort - möglich sein, einer
Stadt den Geist eines Menschen aufzuprägen.
    Ja,
nickte die Frau aus Milch und Kristall, das denke sie auch. Aber er solle
fort-fahren, erklären, wie er sich das vorstelle.
    Also
gut. Die Stadt sei ein System aus Straßen, Häusern und Menschen, so wie ein
Lebewesen aus Adern, Knochen und Zellen bestünde. Nehme man aber einfach eine
bestimmte Menge Knochen, Blut, Gewebe und mische alles in einem Sack aus Haut,
so entstünde daraus kein Mensch. Wichtig seien die Beziehungen zwischen den
Teilen, den Elementen des Systems (die auch selbst wieder Systeme sein könnten
- natürlich, aber das sei nun unwichtig). Mehr noch, wären die Elemente und die
Be-ziehungen genug, so gäbe es keinen Unterschied zwischen einem lebendigen und
einem toten Menschen. Es käme noch ihr Vektor hinzu.
    Wobei,
ergänzte seine Mutter, er mit Vektor sicher nicht den Gesamtzustand des Systems
meine, so wie manche Transgressionisten ihn verwendeten.
    Nein,
was er meine, sei die Bewegung eines jeden Elements in seinem höchst-eigenen
Zustandsraum. So könne eine Nervenzelle zum Beispiel verschiedene
Erregungszustände haben. Stellen wir uns diese als Zahlen zwischen Null und
Eins vor, so bewegt sich die Zelle im Laufe ihres Lebens auf einer Linie
zwischen eben diesen Grenzpunkten hin und her. Für einen erfolgreichen Transfer
sei es nun nötig, nicht nur den Punkt auf der Linie zu wissen und nachzubilden,
sondern auch die Richtung und sogar die Geschwindigkeit (vielleicht gar die
Beschleunigung und höhere Momente) der Nervenzelle in ihrem Phasenraum.
Gleiches gelte für alle anderen Elemente des Systems. Gelinge nun die
Bestimmung all dieser Parameter, dann könne man einer Stadt den Geist eines
Menschen aufprägen.
    Er
vergesse die Zeitachse, hielt ihm seine Mutter entgegen. Eine Nervenzelle
reagiere in Bruchteilen einer Sekunde, selbst die langsamen Vorgänge im Körper,
Blutkreislauf und Verdauung, hätten Zykluszeiten innerhalb einer Woche. Sicher,
es gäbe auch noch längerfristige Prozesse, aber die wollen sie ja gerade
ausschalten. Eine Stadt jedoch reagiere träger.
    Goë
nickte. Doch was sei schon eine Verlangsamung des Lebens um einen Faktor
einhundert, sogar eintausend, wenn einem die Ewigkeit offen stünde? Man würde
langsamer leben, doch dafür Äonen.
    Seine
Mutter lächelte in perfekter Symmetrie die Essenz eines Lächelns. Kaum konnte
er glauben, dass in diesem Körper noch ein organisches Gehirn verborgen war,
ein langsam faulender Kern in einer Hülle aus Edelstahl.
    Er
habe alles wohl überlegt, und sie sei bereits zu ähnlichen Schlüssen gelangt.
Es könne gelingen, die Anlage von Straßen und Gebäuden zu verändern, vielleicht
neue Gebäude zu errichten, deren Zweck niemand außer ihnen beiden verstehen
würde. Ja, sie sehe es vor sich. Eine großartige Stadt, ausgestreckt über
tausende Kilometer auf dieser trockenen, roten Welt, manche Straßen in
sinnlosen Mäandern ver-schlungen, voller kühner Türme, die großenteils leer, manche
aber mit absurden Massen von Bewohnern besetzt wären, gedrängt und versorgt mit
dem Lebensnotwendigen als auch mit Unnötigem, über ein Gekröse von

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