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NOVA Science Fiction Magazin 19 (German Edition)

NOVA Science Fiction Magazin 19 (German Edition)

Titel: NOVA Science Fiction Magazin 19 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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einem Stück Wildwuchs zwischen Haus
und Holzhaus, wo ein gefällter Baum auf dem Waldboden lag. Ein Kind, jünger als
Reenas voriges Ich, hielt mit beiden Händen die Motorsäge fest und jauchzte,
als es damit den am Boden liegenden Stamm zerteilte. Ein Mann im karierten
Flanellhemd stand daneben, einen Zigarrenstumpen im Mundwinkel, die Daumen in
die Gürtelschlaufen seiner Jeans geklemmt.
    Als
das Kind fertig war, legte es die ausgeschaltete Maschine vorsichtig auf den
Boden und streckte die Hände vor. „Schau mal wie die zittern!“ lachte es den
Mann an. „Aber sag es deiner Mutter nicht, sonst bekommen wir beide großen
Ärger.“
    Der
Mann kaute auf seiner Zigarre herum. „Das ist jetzt unser Geheimnis.“ Die
Kleine nickte ernsthaft. „Ich sag nichts, Ich schwör’s!“ „Gut so.“
    „Daddy!“
flüsterte Reena und streckte eine Hand nach dem Flanellhemd aus. Tränen liefen
ihr die Wange herunter. „Mach, dass alles gut ist.“ Doch der Mann drehte sich
herum und stapfte zu dem Haus, das durch die Bäume schimmerte. Reena sah ihm
nach. „Er wird gleich zurückkommen. Und dann wird er mich in den Arm nehmen und
drücken und ich bin ganz und gar sicher bei ihm.“
    „Wovor
sicher?“
    „Vor
dem, was passiert ist.“
    „Wie
alt warst du in IV?“ Paul sah Reena nachdenklich an.
    „Ich
weiß nicht genau. 14?“ Sie zuckte mit den Schultern.
    „Wie
alt bist du jetzt gerade?“ Er deutete auf Reenas Kind-Ich, das gerade
Baumscheiben durchs Unterholz rollte.
    „8
oder 9. Warum fragst du das alles?“
    „Wenn
du bei ihm sicher wärest, wenn er sich vor dich stellen würde oder dir wirklich
etwas Gutes tun wollte – wieso hat er dich dann nicht zum Tierarzt gefahren?“
    „Ich
weiß nicht, was du meinst.“
    „Ich
denke nur, dass er nicht so ist, wie du ihn anscheinend siehst. Nächstes
Beispiel: Er hat dich zwar ins Krankenhaus bringen wollen, aber hat er es
getan?“
    „Aber
sie hat es ihm doch verboten!“ Reena scharrte mit den Lackschuhen im Mulch.
„Lässt sich ein Vater etwas verbieten, wenn er es wirklich will?“
    Schweigen.
Reena drehte sich zu dem Kind herum. Sah seinem fröhlichen Spiel zu. Mit einem
Mal erhob sich ein Brausen ringsherum, die Baumwipfel neigten sich unter einem
plötzlichen Sturm. In der Ferne hörte man Holz splittern, Äste krachten zu
Boden. Ganze Bäume knickten unter einer unsichtbaren Hand um wie Streichhölzer.
Die Welt um Reena und Paul löste sich auf. Das Kind bekam von alldem nichts
mit.
Lachend tanzte es um die Motorsäge herum, klatschte in die Hände und sah immer
wieder zum Haus hinüber, als ob der Mann jeden Moment wieder zu ihm
herauskommen würde. Doch die Tür blieb zu, der Mann verschwunden. Das Bild
wurde allmählich grau.
    „Wir
müssen hier raus!“ Paul griff Reenas Hand und zerrte sie dorthin, wo eben noch
die weißlackierte Tür war.
    Sie
entwand ihre Hand seinem Griff und blieb wie angewurzelt stehen. „Ich geh hier
nicht weg.  Aber du – du hau ab! Verschwinde!“, brüllte sie über das
Sturmbrausen hinweg.
    „Das
kann ich nicht. Ich darf nicht ohne dich gehen.“
    „Das
ist mir scheißegal. Du hast mich in diese Situation gebracht, jetzt musst du
mit den Konsequenzen leben.“
    „Darum
geht es doch, Reena. Ums Leben! Wenn wir hier drinnen bleiben, ist es aus
damit!“
„Das hättest du dir vorher überlegen sollen, bevor du den einzigen Moment
zerstört hast, der mir wichtig war. Der mir gut getan hat. Warum hast du mir
das angetan? Hast du nicht gesehen, was sich hinter den anderen Türen
abgespielt hat? Meinst du, das würde mir das Leben lebenswert machen? Nichts
da, genau das war es, was mich zu einem nutzlosen Stück Lebendfleisch gemacht
hat. Gefangen in alten Bildern. Verrammelt hinter geschlossenen Türen. Da will
ich nicht wieder hin. Das will ich nie wieder sehen.“
    Paul
packte Reena an den Schultern. „Es liegt in deiner Macht, Reena. Du allein
kannst diese Türen aufstoßen. Du kannst ins Leben zurückkehren. Es ist deine
Entscheidung. Aber wenn du nicht sofort dieses Zimmer verlässt, wirst du keine
Wahlmöglichkeit mehr haben.“
    Die
Szenerie, in verschiedene Nuancen von Grau getaucht, dessen Kontraste sich mehr
und mehr zu einem harten schwarz-weiß verstärkten, war in vollständiger
Auflösung begriffen. Es gab kein Haus mehr, kein Holzhaus. Allein das Kind war
noch nicht davon betroffen. Es hatte sich auf ein Stück des Baumstammes
zurückgezogen und klammerte sich an die Motorsäge, die in seinen Armen

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