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NOVA Science Fiction Magazin 19 (German Edition)

NOVA Science Fiction Magazin 19 (German Edition)

Titel: NOVA Science Fiction Magazin 19 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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Reena war, als erinnerte sie sich, wie es sich anfühlte,
dieses Cape zu tragen. „Wie eine Prinzessin“, murmelte sie leise. „Man ist für
immer eine Prinzessin, wenn man es trägt.“ Dann schüttelte sie den Kopf, griff
in die aufgenähte Tasche ihres Erdbeerrockes und fand einige Münzen. „Wo müssen
Sie denn genau hin?“, fragte sie die Dame.
    „Zum
Marienhospital“, kam es wie aus der Pistole geschossen. „Normalerweise laufe
ich zu Fuß, aber das Wetter, das Wetter.“
    Reena
überlegte kurz, dass es ihr in dem Aufzug auch etwas kühl wäre. Schon erklang
in ihr: „Und setz ja die Mütze auf! Nicht, dass du mir krank wirst.“ Es war
dieselbe Stimme, die sie gefragt hatte, wie man ihr so etwas hatte antun
können, nur ohne das Nörgeln. Reena runzelte die Stirn, während Erinnerungen an
warmen Vanillepudding auf Dosenpfirsichen hinter ihrer Stirn aufblitzten. Eine
Jacke, deren Reißverschluss zugezogen wurde. Ein sich Umdrehen auf dem Weg zum
Gartentor und ein Winken, das erwidert wurde. Reena spürte, wie etwas in ihr
nachgab. Es war wie ein Fallen aus großer steinerner Höhe, doch der Aufprall
würde diesmal nicht schmerzhaft sein, sondern weich. „Was hat Ihre Tochter
denn?“, fragte sie beiläufig, während sie die Münzen einwarf.
    „Es
war ein Unfall, wissen Sie. Ein Verkehrsunfall.“ Die knisternde Stimme schwankte
bedenklich. „Seitdem liegt sie im Wachkoma. Nur aufwachen, das tut sie nicht.“
Der Alten lief eine Träne über die zerknitterte Wange. Schnell wurde sie mit
einem weißen Stofftaschentuch aufgefangen. „Ich weiß nicht, wie viel Zeit mir
noch bleibt. Da gibt es so viele Dinge, die ich ihr sagen möchte.“ Dabei sah
sie Reena unverwandt an, und Reena erkannte sich in den alten Augen wieder. Es
waren Augen, die sie oft verfolgt hatten, Augen, die oft leer gewesen waren
oder zornig, aber auch müde, abgespannt und hilflos. Ein ganzes Leben lag in
diesen Augen.
    Reena
zögerte kurz. Ihr Fall hatte sein Ende gefunden. „Sagen Sie es ihr, auch wenn
sie noch nicht aufwacht. Vielleicht kommt es auch so an.“
    Die
Alte nickte. „Der  Bus kommt gleich. Würden Sie vielleicht mitfahren? Ein Stück
nur? Ich weiß, das ist möglicherweise etwas viel verlangt, es ist nur so: Es
tut gut, mit Ihnen zu reden.“
    Reena
schüttelte Kopf.  „Ich kann nicht. Da gibt es noch eine Sache, die ich vorher
erledigen muss.“ Dann drehte sie sich grußlos um und ging zum Haus zurück. Nach
ein paar Schritten konnte sie im Hintergrund das Quietschen eines Busses hören,
das Türenklappen und das satte Geräusch anfahrender Räder.
    Paul
stand auf der dritten Stufe und erwartete sie. „Du kommst zurück?“
    „Ja,
aber es ist nicht dein Verdienst.“ Reena sah ihn an. „Ich weiß nicht, ob ich
dich verfluchen oder dir danken soll. Ich kann keines von beiden. Also bitte
ich dich jetzt nur um eines: Geh jetzt. Verschwinde aus meinem Leben.“
    Paul
grinste. „Leben klingt gar nicht schlecht.“ Dann zog er einen Schlüsselbund aus
der Tasche und warf ihn ihr zu. „Hier, nimm. Es sind deine. Mach mit dem Haus
was du willst.“
    Reena
fing die Schlüssel auf. Dann stieg sie die Stufen zur Haustür empor. Sie blieb
kurz neben Paul stehen, suchte seine Hand und drückte sie leicht. „Verzeih
mir.“
    Paul
erwiderte den Druck. „Du kommst also nicht mit?“
    „Nein.“
„Okay“. Paul drehte sich herum, „Wenn du es dir anders überlegen solltest –
dann benutz das hier.“ Er angelte einen Busfahrschein aus seiner Hosentasche.
Reena nahm ihn an sich. Er war noch ganz warm. Sie lächelte erneut, ein kleines
Lächeln diesmal, nichts Großes.
    „Ist
ein Familienticket.“ Er zwinkerte ihr zu. Dann drehte er sich um, stieg die
Treppen herunter und ging Richtung Bushaltestelle.
    Reena
sah ihm nach. „Danke!“ rief sie mit einem Mal und winkte ihm. Dann drehte auch
sie sich herum und ging ins Haus. Da warteten noch ein paar verschlossene Türen
auf sie. Reena klimperte mit dem Schlüsselbund.
     
     
    Copyright
© 2012 by Gabriele Behrend
     
     
     

 

     
     
     
    In
seiner Erinnerung hatte Goë drei Mütter.
    Die
erste war ein verschwommener Eindruck von Wärme, Händen und einer Stimme, die
zu ihm sprach, seit er in ihrem Bauch schwamm. Obwohl die Daten in seinem
Pericortex nicht verblassen konnten, waren seine Sinne damals noch so wenig
ausgebildet, seine höheren Hirnfunktionen noch so zart, dass ihm diese Version
seiner Mutter wie ein Nebel aus Liebe und Geborgenheit

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