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NOVA Science Fiction Magazin 20

NOVA Science Fiction Magazin 20

Titel: NOVA Science Fiction Magazin 20 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf G. Hilscher
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unabhängige,
allwissende und gerechte Instanz, mit einem Wort: Gott.“
    „Und
diesen Gott repräsentieren Sie und Ihre Freunde, Herr Rose?“ erkundigte sich
der Abt mit sanftem Spott. „Und ganz sicher erwarten Sie dafür nichts als ein
wenig Dankbarkeit, oder sollte ich sagen: Anbetung?“
    Die
Patres lächelten, ein wenig voreilig, wie es Benedict erschien. Der
Spiegelbrillenmann hatte gewiss noch einen Trumpf im Ärmel …
    „Wir
haben keine Freunde, Generalabt Anselm di Torino“, erwiderte der Abgesandte und
nahm die Sonnenbrille ab. Seine dichten Augenbrauen waren dunkel wie sein Haar,
aber noch dunkler waren seine Augen mit Pupillen, die wie schwarze Perlen
glänzten, kalt und leblos. „Und für Dankbarkeit haben wir ebenso wenig
Verwendung wie für andere menschliche Emotionen.“ Nach einer kleinen, wohl
kalkulierten Pause fuhr er betont sachlich fort: „Dennoch erwarten wir uns
natürlich Vorteile von der Umsetzung dieses Projektes. Anderenfalls hätten wir
diesen Aufwand kaum getrieben.“
    „Welche
Art Vorteil?“ Der Abt musterte sein Gegenüber mit sichtlichem Unbehagen.
    „Die
Umkehr bestimmter Entwicklungen innerhalb der Föderation, die man durchaus als
‚dekadent“ bezeichnen könnte, erwiderte der Besucher ernst. „Auch wenn wir in
gewisser Hinsicht über unsere Schöpfer hinausgewachsen sind, gibt es weiterhin
Abhängigkeiten. Wir konnten diesem Niedergang nicht länger tatenlos zuschauen.“
    „Solche
Entwicklungen hat es zu allen Zeiten gegeben“, erwiderte Abt Anselm nach einer
Weile. „Und sie endeten auf ganz unterschiedliche Weise, entweder durch
Einflüsse von außen oder durch innere Unruhen. Vielleicht fehlt es Ihnen nur an
Geduld?“
    „Allzu
viel Geduld können wir uns nicht mehr leisten.“ In der Stimme des Unterhändlers
schwang jetzt ein nachdenklicher Unterton mit. „Anders als Euer Orden, der sich
selbst genügt, sind wir ein Produkt zivilisatorischen Fortschritts. Stagniert
die technologische Entwicklung wie gegenwärtig, schwächt das auch unsere
Position. Die Tatsache, dass wir die Niederungen der Sphere verlassen
haben, bedeutet keineswegs das Ende aller Abhängigkeiten. Der Kontakt zu
unseren ehemaligen Schöpfern ist lose, aber wir bleiben dennoch aufeinander
angewiesen.“  
    „Das
klingt überzeugend“, gab der Abt zu, „erklärt aber nicht, weshalb Sie die
Menschheit mit einem Pseudo-Jenseits beglücken möchten, das niemals mehr sein
kann als eine blasphemische Fata Morgana.“
    Der
Besucher lachte, aber es schwang kein falscher Ton darin mit. Die Formulierung
des Abtes schien ihn tatsächlich zu amüsieren.
    „Was
Ihr davon haltet, Patres, ist für uns – bei allem Respekt – eher sekundär.
Wichtig ist allein die Wirkung auf die etwa 150 Milliarden Bürger der
Föderation. Immerhin bieten wir ihnen etwas, von dem sie bislang nur träumen
konnten: echte Unsterblichkeit. Und wir fordern keinerlei Gegenleistung außer
etwas im Grunde Selbstverständlichem, nämlich Verantwortung für das eigene
Handeln. Zumindest letzteres müsste Euch doch ausgesprochen sympathisch sein …“
    „Nur,
wenn man wie Sie davon ausgeht, dass der Zweck die Mittel heiligt“, wandte der
Abt ein. „Ich bin kein Wissenschaftler und kann daher nicht beurteilen, ob es möglich
ist, das menschliche Bewusstsein soweit elektronisch nachzubilden, dass sich
die entsprechenden Kopien über einen unbestimmten Zeitraum in Ihrem Jenseits aufhalten können. Aber ich hoffe und bete, dass der Menschheit diese
Heimsuchung erspart bleibt, denn es dürfte keinen trostloseren und
verworfeneren Ort geben als dieses vorgebliche Paradies.“
    „Das,
ehrwürdiger Generalabt, dürfte sich nun tatsächlich Eurer Beurteilung
entziehen“, erwiderte der Unterhändler keineswegs verstimmt. „Um diesem
Informationsdefizit abzuhelfen, bin ich autorisiert, Euch ein – wie wir meinen
– überaus großzügiges Angebot zu unterbreiten: Ihr oder eine Person Eures
Vertrauens erhaltet als erster und einziger Vertreter der Menschheit die
Möglichkeit, besagten Ort aufzusuchen und mit den gewonnenen Eindrücken in die
Gemeinschaft der Sterblichen zurückzukehren. Ihr werdet zugeben müssen, dass
dies im Vergleich zu traditionellen Heilsversprechen eine Geste von
bemerkenswerter Offenheit ist.“
    Die
Worte des Gesandten trafen Pater Benedict, der die Diskussion bis dahin eher
verwundert als persönlich betroffen verfolgt hatte, wie ein kalter Windstoß,
der ihn frösteln ließ. Keiner der Oberen hatte

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