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NOVA Science Fiction Magazin 20

NOVA Science Fiction Magazin 20

Titel: NOVA Science Fiction Magazin 20 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf G. Hilscher
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zielte plötzlich auf den entsetzten Aaron von Hofstaetter. Über
die Klinge zogen sich jene feinen Streifen, die das Schmieden nach Damaszener
Art mit sich brachte.
    „Wollen
Sie damit sagen“, Aaron rang nach Luft, „dass Sie aus einer fremden Welt kommen
… von einem anderen Planeten?“
    Vielleicht
ließ der Verrückte von seinem Tun ab, wenn man ihm gestattete, sich als einen
gestrandeten Außerirdischen darzustellen – sein ganzes Wahngebilde zu
offenbaren, alle seine verschlungenen Gedanken. Das würde viel Zeit kosten.
    Aaron
brauchte dringend ein bisschen Zeit, um sich irgendwas einfallen zu lassen.
    „Kein
fremder Planet“, sagte Franz Vicomte zu Teufel-Walldorf, „ich komme genau wie
Sie von der Erde. Nur aus einer anderen, unbearbeiteten Version. Einer viel zu
schrecklichen Version, glauben Sie mir. Ich für mein Teil bringe lediglich ein
paar weitere Korrekturen an. Ich sorge mit ein bisschen Gewalt für ein wenig
mehr Frieden.“
    Es
war zu spät, auf Zeit zu spielen: Die Klinge fuhr durch von Hofstaetters
Kleidung, als wäre sie nicht vorhanden, und durchbohrte seine Brust. Als die
Spitze des Stiletts an seinem Rücken herausdrang und die Lederbespannung des
Fauteuils durchbohrte, ertönte ein kurzes, hässliches Knirschen.
    Es
tat überraschenderweise nicht so weh, wie Aaron sich derlei vorgestellt hatte.
    „Glauben
Sie mir“, flüsterte Teufel-Walldorf, und sein Mund war nur Zentimeter von
Aarons erbleichendem Gesicht entfernt, „viele, viele Menschen werden nicht
leiden und sterben, wenn Ihre Lebenslinie hier endet. Eine einfache Abwägung …
und eine Abschätzung der Folgen.“
    Er
riss mit einem Ruck den Kurzdegen aus von Hofstaetters Leib. Jetzt tat es doch
weh, und zwar höllisch.
    Aaron
stöhnte.
    Sprechen
konnte er nicht mehr. All die Venen und Arterien, die der wohlgezielte Stich
getroffen und erbarmungslos durchtrennt hatte, begannen für das rasche
Verbluten des Mitinhabers von DISQUE DUR zu sorgen.
    Der
Mund des Sterbenden bewegte sich. Über seine Lippen floss hellrotes Blut, und
in seinen Augen stand eine Frage. Der Vicomte verstand, worum es ging, und
zuckte bedauernd die Schultern.
    „Warum
ich hier bin, weiß ich nicht“, sagte er, „aber das weiß ja auch von euch
niemand.“
     
     
    Copyright © 2012 by Karsten
Kruschel
     

 

E s
ist eine Zumutung, Bruder Benedict, das wissen wir alle“, wiederholte der
Generalabt mit einem bekümmerten Lächeln, das den jungen Pater noch mehr
verunsicherte. „Und du hast unser Wort, dass wir deine Entscheidung akzeptieren
werden, ganz gleich wie sie am Ende ausfällt. In dieser Angelegenheit bist du
selbstverständlich nicht an deine Gehorsamspflicht gebunden. Auf der anderen
Seite solltest du unsere Wahl auch als Vertrauensbeweis ansehen. Es gibt leider
nur wenige Brüder, denen der Konvent und auch ich persönlich zutrauen, diese
Prüfung – und um eine solche handelt es sich zweifelsohne – zu bestehen.“
    Es
fiel Pater Benedict schwer, den wohlgesetzten Worten des Älteren etwas entgegenzusetzen.
Lehnte er ab, würde er trotz der Zusicherung des Abtes mit dem Makel leben
müssen, seine eigenen Befindlichkeiten über die des Ordens gestellt zu haben.
Stimmte er jedoch zu – wogegen sich alles in ihm sträubte –, machte er sich
möglicherweise zum Werkzeug einer Blasphemie und riskierte im schlimmsten Fall
die einzig feste Größe in seinem Leben: den Glauben an Seine Barmherzigkeit. Er
war sein Halt, der Boden unter seinen Füßen, und der Sturz würde tief sein,
wenn er ihn verlor …
    Hätte
ihn die Bitte unvorbereitet getroffen, wäre Pater Benedict die Ablehnung
vermutlich leichter gefallen als jetzt im Wissen um die Zwangslage der
Bruderschaft. Zu ungeheuerlich war die Anmaßung des „Angebots“, das dem Orden
der Heiligen Madonna der letzten Tage von einem bislang unbekannten
Zusammenschluss künstlicher Intelligenzen unterbreitet worden war. Doch die
Begegnung – sofern man in diesem Zusammenhang überhaupt von einer Begegnung
sprechen konnte – mit einem Abgesandten der Exosphere hatte allen
Beteiligten klargemacht, dass es sich keineswegs nur um eine geschmacklose
Provokation handelte, sondern um eine möglicherweise sogar existentielle
Bedrohung.
    Dass
man Pater Benedict überhaupt zu diesem Treffen hinzugezogen hatte, hing in
erster Linie mit der herausgehobenen Position zusammen, die er trotz seines
vergleichsweise jugendlichen Alters in der Societas
Custodum , dem Sicherheitsdienst des Ordens, einnahm.

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