Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
NOVA Science Fiction Magazin 20

NOVA Science Fiction Magazin 20

Titel: NOVA Science Fiction Magazin 20 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf G. Hilscher
Vom Netzwerk:
ebenso vielen Jahrhunderten scheiterten sie daran.
    Vor
der geschlossenen Tür zum Gästezimmer blieb Ninive noch einmal stehen und
fragte: „Hat unser Besuch einen Namen?“
    „Hat
er uns nicht verraten“, rief Guss. „Aber er sieht ziemlich schräg aus.“
    „Groß,
schwarze Kutte, der reinste Finsterling“, bestätigte Clogger.
    „Und
bewaffnet ist er“, warnte Luxa. „Also sieh dich vor!“
    Ninive
bedachte die beiden mit einem tadelnden Blick, dann drückte sie die Klinke
nieder und betrat den Raum.
     
     
    Im
Salon sah kaum noch etwas so aus, wie Ninive es in Erinnerung hatte. Wenige
Schritte hinter der Tür torkelte ein halbierter Esstisch über das Parkett und
bemühte sich, auf seinen zwei verbliebenen Beinen die Balance zu halten. Der
meterhohe Spiegel, normalerweise an der gegenüberliegenden Wand zwischen zwei
Wandlüstern angebracht, stand - von sieben Ohrensesseln gestützt - in der Mitte
des Zimmers. Die riesige Speisetafel, welche gewöhnlich die Mitte des Raumes
für sich einnahm, hing kopfüber von der Decke und tat bei Ninives Eintreten so,
als hätte sie mit der ganzen Sache unter ihr nichts zu tun. Im achten Sessel
saß Ninives Besucher und spielte mit seinem Spiegelbild Schach. Seine Sense
hatte er zusammen mit einem großen Stundenglas an den Wandhalter gehängt.
    „Cutter!“,
rief das Mädchen verdutzt. „Was machst du denn hier?“
    Die
schwarze Gestalt im Sessel ließ sich durch Ninives Eintreten nicht aus der Ruhe
bringen. „Hallo, Ivi“, begrüßte sie stattdessen Cutters Spiegelbild, das gerade
nicht am Zug zu sein schien. „Willkommen daheim. Schön, dich wohlauf zu sehen.
Wir mussten den Schachtisch leider in zwei Hälften hacken, sonst hätte er nicht
bündig an den Spiegel gepasst. Ich hoffe, das bereitet keine zu großen
Umstände. Falls doch, wird mein Alter ego sich selbstverständlich um die
Reparatur kümmern.“
    „Nimm
nicht so ernst, was er sagt“, vernahm sie leise die Stimme der realen
Cutter-Version. „Dieses Mondkalb glaubt nach wie vor, er sei das
Original und ich seine Spiegelung ...“
    „Daran
gibt es auch nicht den geringsten Zweifel“, bemerkte sein Ebenbild. „Eines
meiner zahllosen Spiegelbilder kam vor langer Zeit auf die glorreiche Idee, die
Positionen zu tauschen, um das Original erfahren zu lassen, wie es sich
anfühlt, eine Reflexion zu sein und umgekehrt. Das ging ein paar Jahrtausende
hin und her, und heute weiß keiner mehr, wer eigentlich das Original ist.“
    „Oder
es einmal war ...“, fügte der diesseitige Cutter hinzu. Dann beugte er sich ein
Stück vor und wechselte mit einem seiner Läufer auf ein gegnerisches Feld
hinter dem Spiegel. „Schach“, verkündete er.
    „Zefix“,
brummte seine Reflexion. „Ich war abgelenkt ...“ Sie starrte auf das
Spielbrett, dann bewegte sie seinen Springer und sagte: „Patt!“
    „Ach,
zum Geier ...“ Cutter wandte sich zu Ninive um. „Willst du wissen, was mir die
Gewissheit gibt, das Original zu sein?“ Er wandte sich den Ohrensesseln zu und
sagte: „Um dreißig Grad neigen!“
    Die
Sessel kippten den Spiegel ein Stück nach hinten, woraufhin Cutters Spiegelbild
mit einem Laut der Überraschung rückwärts aus dem Sichtfeld rutschte. Sekunden
später erklang lautes Krachen und Poltern.
    „Schach
matt!“, rief Cutter.
    „Arschloch!“,
kam es aus den Tiefen des Spiegels zurück.
    „Tut
mir Leid“, meldete Ninive sich zu Wort, während die Sessel sich anschickten,
den Spiegel zurück an seinen Platz zu tragen. „Ich wollte euch nicht das Spiel
verderben.“
    „Das
ist dein Heim, schon vergessen?“ Cutter wandte sich zu ihr um. „Du bist die
Hausherrin, ich der Gast. Zudem war das jetzt schon das neunzehnte Remis.
Irgendwann muss Schluss sein.“
    „Wartest
du schon lange?“
    „Einen
Wimpernschlag. Nicht der Rede wert.“
    Ninive
wusste nie genau, ob Cutter sie ansah, die Spinnen an der Decke zählte oder
womöglich sogar schlief. Unter der Kapuze waberte nur Dunkelheit, finsterer als
das Schwarz seiner Kutte. Dennoch war es mehr als nur eine Ahnung, dass sein
Blick in diesem Moment auf ihr ruhte.
    „Schön,
dass du mal wieder vorbei schaust“, sagte sie. „Woher kommst du?“
    „Aus
dem Hinterland.“
    „Du
warst hinter der Mauer?“ Ninive setzte sich vor ihm auf die Tischkante.
„Erzähl, wie sieht es dort aus?“
    Cutter
zuckte mit den Schultern. „Eigentlich genau so wie hier.“
    „Und?“,
hakte Ninive nach, als er nichts mehr hinzufügte.
    „Ich
habe dir

Weitere Kostenlose Bücher