Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nova

Nova

Titel: Nova Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Kober
Vom Netzwerk:
dürfen unsere Mittel nicht rücksichtslos einsetzen.«
    »Aber sie dürfen, was? Eine Zivilisation, die derart handelt, ist sozial degeneriert. Sie lebt ohne humanen Gehalt.«
»Das sind unzulässige Verallgemeinerungen, du weißt das. Keine Zivilisation kann völlig inhuman sein, sie würde sich selbst vernichten. Nur bestimmte Gesellschaftsepochen sind es zeitweise, sie werden auch nur durch eine begrenzte Anzahl Individuen personifiziert. Und mit denen haben wir es zu tun.«
Kyodo knurrte. »Dann geben wir eben dieser Anzahl unsere Antwort. Sollen wir tatsächlich die Hände in die Taschen stecken und zusehen?«
»Gleiches mit Gleichem vergelten?« sagte Velasco. »Damit stellen wir uns auf die gleiche Stufe wie die dort draußen. Narik, gibt es keine andere Möglichkeit? Kann man den Wächterroiden nicht wieder einschalten? Wir brauchen die Kuppel.«
Narik drehte sich endlich um. »Sicher, wir könnten seine Frequenz ändern, habe ich auch schon versucht, aber durch das ZERO kommen wir nicht hindurch. Auf telemetrischem Weg reagiert er nicht. Es geht noch manuell – nur müßte dazu jemand nach draußen.« Er hob die Schultern. »Das Risiko ist zu groß. Wir sollten abwarten.«
»Weshalb?« erwiderte Velasco. »Mit einer Individualkuppel läßt sich das machen.«
    »Du würdest für sie zum Hauptziel, Velasco. Die kleine Kuppel schützt dich zwar vor dem Feuer, nicht aber vor den frei werdenden Drücken. Die schleudern dich weg.«
»Ich nehme den Schwerkraftsimulator. Bis zu zwanzig g halte ich aus. Vielleicht reicht es.«
     
Sie protestierten heftig.
    Er ließ sich nicht mehr davon abbringen. Sein Schuldgefühl flößte ihm Kraft ein.
Um ihn herum tobte die Hölle. Die Geschosse detonierten hoch über ihm, etwa in der Mitte des aufragenden Schiffes, und nichts deutete darauf hin, daß die Fremden ihn entdeckt hätten. Die selbstauferlegte künstliche Schwere machte ihm den kurzen Weg zur Qual. Er ließ sich zu Boden gleiten und arbeitete sich zum Roiden vor, verbissen gegen die Schwäche kämpfend.
Dann war alles fast ein Kinderspiel. Im Schatten des Roiden verringerte er die g-Zahl, öffnete die Facettenplatte auf dem Schildbuckel der Maschine und tauschte den kleinen funktechnischen Block gegen einen neuen aus. Narik hatte ihn auf ständig wechselnde Frequenzen programmiert, um zu verhindern, daß die Fremden den Wächter wieder lahmlegten.
Kaum hatte er die Platte geschlossen, erhob sich knisternd die schützende Energiekuppel. Schlagartig erloschen auch die pausenlosen Detonationen.
Er atmete auf, froh über ihren Erfolg. Sie brauchten keine Waffen einzusetzen. Sie waren ihrer gemeinsamen humanen Überzeugung gefolgt und hatten sich als überlegen gezeigt. Vielleicht kam man nun zu einem Dialog mit den Fremden.
    Kyodo hätte vielleicht anders gehandelt, und Narik hatte sich aus dem Disput zwischen Asher und Kyodo herausgehalten, ohne Stellung zu nehmen. Keiner von ihnen war bereit gewesen, selbst hinauszugehen und seine Sicherheit preiszugeben.
    Er betrachtete die Außenhaut des Schiffes. Soweit er erkennen konnte, hatten die Explosionen keinen Schaden angerichtet. Langsam schritt er zur Schleuse zurück.
    Sie standen diskutierend vor dem Panoramaschirm. »… sind die Spektralaufnahmen von S-2, der direkt im Orbit über dem Schiff steht. Fällt euch nichts auf? Nein? Die Explosivgeschosse müssen irgendwo abgefeuert worden sein. Aber es gibt keine Bewegungsspur, auch keinen Infrarotpunkt. Die Geschosse kamen aus dem Nichts.«
Velasco fiel der Übergang in die nüchterne, logistische Atmosphäre schwer. Das war etwas, was ihm nie im Leben vergönnt war. Sein Meer der Erregung ließ sich nicht mit ein paar öligen Tropfen Disput beruhigen; er brauchte Zeit.
»Großartig, Velasco«, sagte Narik, er klang phrasenhaft, und erzeugte in Velasco einen bitteren Nachgeschmack. Das Wort, daß seine Entscheidung die einzige Alternative gewesen sei, vermißte er schmerzlich. Er verbarg seine Enttäuschung.
»Und welche Schlußfolgerungen lassen sich daraus ableiten?« fragte Asher.
»Ich weiß es nicht«, sagte Narik. »Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie man Raketen- oder Werfergeschosse so fliegen lassen kann, daß sie weder auf Spektralfotos noch mittels Radarortung zu erkennen sind. Gestern habe ich noch an dir gezweifelt«, er sah Velasco an, »heute stelle ich mir die gleiche Frage. Ich habe nur eine hypothetische Antwort darauf: Diese Zivilisation muß technisch weiterentwickelt sein als wir.

Weitere Kostenlose Bücher