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November 1918: Eine deutsche Revolution: Erzählwerk in drei Teilen Erster Teil: Bürger und Soldaten 1918 (German Edition)

November 1918: Eine deutsche Revolution: Erzählwerk in drei Teilen Erster Teil: Bürger und Soldaten 1918 (German Edition)

Titel: November 1918: Eine deutsche Revolution: Erzählwerk in drei Teilen Erster Teil: Bürger und Soldaten 1918 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Döblin
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Handbewegung und schüttelte den Kopf. Die Frau schlug wieder die Arme übereinander. Sie schwiegen.
    Der Mann fing an: »Wieviel Geld hast du flüssig? Zu Haus oder auf der Sparkasse? Weil du kaufen sollst.« »Was kaufen?« »Kostet jetzt nichts. Kommt darauf an, was du willst und wieviel du ausgeben willst. Die Schwobe lassen alles stehen und liegen. Morgen marschiert die Kaserne, dann können die Beamten auch nicht bleiben. Du kannst haben, was du willst.«
    Sie setzte sich aufmerksam an den Tisch. »Du gehst kaufen, Hermann – weil du sagst, du bleibst bloß eine halbe Stunde?« »Viele lassen ihre ganzen Einrichtungen stehen, welche sind weg mit Schulden. Haben sie dir alles bezahlt?« »Ich liefere nur gegen bar. So, so. Sie gehen alle.« Sie hielt den Mund offen und atmete langsam: »Wird schwer für mich.« »Bin ja auch noch da, Walli.« Sie nach einer Pause: »Was willst du kaufen?« »Dachte, du kaufst das kleine Café von Knapp in der Weißenburgstraße, der Mann war bei mir.« Sie flammte auf vor Erregung. Er lächelte: »Soll ich? Morgen muß der Mann sein Geld haben.« »Soviel hab’ ich ja nicht, Hermann.« »Ich steh’ dafür grade, Walli.« Sie sahen sich an. Er griff nach seinem Mantel.
    Wie er an der Stubentür war, drängte sich die kleine dralle Frau an ihn, legte beide Hände vor seine Brust: »Hermann, wenn er aber doch wiederkommt. Glaub mir, er kommt.« »Und was machst du dann?« »Und du?«
    Er lachte sie an.

Dienstag, der Zwölfte
    Der Major ist schon sehr früh auf. Er bewohnt zusammen mit dem General eine Villa, die ihre Besitzer im Stich gelassen haben. Früh erscheinen bei den Offizieren Ordonnanzen des Soldatenrates und teilen ihnen Ort und Stunde der Bestattungsfeierlichkeit für die erschossenen Soldaten mit. Der General muß den Befehl als Garnisonältester zeichnen. Er haut seinen Namen hin.
    Er ist deswegen krakelig. Er ist schon im Beginn der Nacht durch eine Schießerei in der Nähe geweckt worden, hat nach seinem Burschen geklingelt, der Lümmel ist aber nicht gekommen. Jetzt hilft der Bursche dem Alten beim Anziehen, der schimpft ihn aus, dann will er wissen, was heute nacht war. Der Bursche erzählt, es waren Bayern – was für Bayern –, auf der Bahn, sie kamen durch, wollten nicht weiter, haben ihre Waggons abgehängt, nachher haben sie auf Signalscheiben geschossen. »Schweine«, knurrt der General. Nachher war es ein Auto, fährt der Bursche fort, der schön Wetter bei dem Alten machen will, das kam aus Straßburg und wollte nicht halten. Die Patrouillen in der Stadt haben geschossen, es ist aber durchgefahren, – was denn für ein Auto, – der Bursche hilft dem Alten in die Jacke, – er grinst hinter seinem Rücken, – sollen Elsässer gewesen sein, haben ein Dienstauto gestohlen, fahren damit nach Oberhofen. »Schweine.« Der Alte läßt den Kaffee stehen. Dann wartet er auf die Schritte des Majors über sich. Er wartet lange. Er wird ungeduldig. Er ruft seinen Burschen und fragt, ob die Ordonnanz nicht auch zum Major heraufgegangen sei. Der bejaht. Da nimmt der General seine Mütze und steigt die kleine Treppe hinauf. Er stampft, damit man ihn oben hört. Aber wie er den ersten Treppenabsatz hinter sich hat, hört er lachen, von oben. Einer lacht prustend, hält an, lacht wieder los. Es könnte im Zimmer des Majors sein. Der General steigt unsicher weiter, was ist beim Major. Er dreht sich um und sieht, daß sein Bursche ihm nachblickt. Er winkt ihn herauf. »Wer ist beim Herrn Major?« »Niemand, Herr General.« »Niemand, Kerl, da ist doch jemand.« »Nein, Herr General.«
    Und der junge pausbäckige Bursche strich an seiner Schürze und grinste verschämt. Der General tastete nach seinem Monokel, er hatte es unten gelassen, holen lassen? nein, muß mal gleich sehen. Oben im Korridor fegte der Majorsbursche den Teppich und stand im Hintergrund stramm, wie der General auftauchte. Eine Lachsalve war drin im Gang. Dann klatschte es einmal, zweimal. Der General kannte die Wohnzimmertür des Majors; er stand starr, bis drin die Attacke vorbei war, dann stocherte er auf den Burschen mit dem Besen zu: »Wer ist beim Herrn Major?« »Niemand, Herr General.« »Herr Major ist allein?« »Befehl, Herr General.« Dieser Bursche hatte sein Gesicht besser in der Gewalt als der unten.
    Jetzt klopfte der Alte an die Wohnungstür. Drin klatschte es grade wieder. Darauf ein Brüllen: »Rein.« Als der General auf diesen unhöflichen Lärm nicht reagierte, brüllte es

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