November 1918: Eine deutsche Revolution: Erzählwerk in drei Teilen Erster Teil: Bürger und Soldaten 1918 (German Edition)
Elend ausliefern. Helft also dem Vaterlande durch furchtloses und unverdrossenes Mitarbeiten, ein jeder auf seinem Posten, bis die Stunde der Neuordnung gekommen ist. Berlin, den neunten November.«
Beide Hände auf den Tisch gestemmt, die Zeitung unter der linken Hand geknautscht, stand der Major am Tisch: »Darauf kann er sich gefaßt machen. Daß die Stunde der Neuordnung kommt.« Er stieß mit der Faust auf den Tisch: »Vor denen ist der Kaiser geflohen.« Der General: »Man hat es ihm geraten.« »Hätte er nicht tun sollen. Jedes Wort deswegen überflüssig. – Was haben Sie vor, Herr General.« »Wann?« »Sie wollten mich zur Beerdigung der beiden Strolche abholen.« »Sie gehen?« »Natürlich.«
Der General erhob sich müde: »Für diese Art Taktik danke ich ergebenst.« »Sie werden, hoff ich, mitgehen. Sie werden Ihren Posten nicht verlassen.« »Ich habe mich hier noch um den Abmarsch zu kümmern, sonst bin ich nicht vorhanden.« »Man wird Sie aus dem Haus holen.« »Ich denke, Major, Sie gehen mit mir konform.« »Bedanke mich.« »Was?« »Ich danke.« »Dann bin ich Ihr Vorgesetzter und befehle Ihnen, mich auf meinem Dienstweg in die Kaserne zu begleiten.«
Der Major stand mit gesenktem Kopf nachdenklich am Tisch. »Ich bitte gehorsamst um eine Äußerung von Herrn General darüber, was Sie in der Kaserne zu tun gedenken, wenn man Sie, gemäß der gegebenen Unterschrift, zur Teilnahme an der Beerdigung auffordert.« »Dann bin ich beschäftigt. Gestatte, kurz und bündig, auch Ihnen nicht, sich an dieser Demonstration zu beteiligen.«
Darauf Pause. Der Major richtete den Blick starr auf den General, der Alte hielt sich straff aufrecht.
Der Major machte eine Verbeugung, ein Lächeln zog den Mund auseinander: »Gestatten Herr General, daß ich Ihnen die Hand drücke. Möchte nur bemerken, daß ich meine Bedenken vorgetragen habe.«
Der Alte winkte ab. Der Major sah ihn verblüfft an.
Beim Heruntersteigen sagte der General: »Vergessen Sie nicht, die Burschen aus dem Garten zu rufen, die verplempern sonst den ganzen Vormittag.«
Auf dem Kasernenhof beachtete sie keiner. Als aber die beiden Offiziere den unteren Korridor durchwandert hatten, begegneten sie zwei Männern, die gemeinsam einen mächtigen Kranz mit roter Schleife trugen und grußlos vorbeigingen. Hinter ihnen blieben sie stehen. Der eine lief hinter den Offizieren her, sah ihnen seitlich ins Gesicht, zog die Uhr: »Es ist ein halb neun, die Beerdigung ist um neun.« Die Offiziere gingen weiter, der Mann pfiff den andern. Da kamen zwei Soldatenräte mit schwarzem Flor am linken Arm die Treppe herunter, der Mann rannte auf sie zu, sagte etwas, die beiden, der Vorsitzende Henschel und sein Sekretär, blieben stehen, bis die Offiziere auf der Treppe in ihrer Höhe waren. Henschel zog vor ihnen die Uhr: »Ein halb neun, meine Herren.« Die beiden grüßten, nickten, gingen wortlos nach oben.
Die Soldaten stiegen ihnen nach, die Leute mit dem Kranz schlossen sich ihnen an, es kamen andere, man war im Korridor des ersten Stocks. Nach einem kurzen Gespräch mit seinem Begleiter überholte Henschel die beiden Offiziere, versperrte ihnen den Weg, sie waren im Augenblick von einem Haufen Menschen umgeben. Henschel: »Meine Herren, um neun.« Der General kurz: »Die Garnison marschiert morgen oder übermorgen; wann wollen Sie vorbereiten.« Sofort mischte sich der Major ein: »Ich darf bitten, daß die Besprechung im geschlossenen Raum stattfindet.« Ehe die Räte zu einer Antwort kamen, hatte der Major die nächste Tür aufgerissen, es war ein leerer Schlafsaal, die Bettstellen dreifach übereinander, die Fenster weit offen, schon trat hinter dem Major der General ein, zögernd folgten die beiden Räte; bevor die nächsten eintraten, warf ihnen der Major die Tür vor der Nase zu: »Einen Augenblick bitte.«
Die Unterredung war kurz. Der General erklärte, es nicht mit seinem Pflichtgefühl vereinbaren zu können, die kurze Zeit bis zum Abmarsch mit Zeremonien auszufüllen; wenn er selber in diesem Augenblick sterbe, könne man ihn auch ohne Formalitäten in die Grube werfen.
Der Major, der die Gefahr sah, warf sich, koste es, was es wolle, in das Gespräch. Er schlug einen ganz scharfen Ton an. Man werde wie eine Räuberbande ins Reich einmarschieren. Henschel meinte ärgerlich und unsicher, man brauche sie nicht an ihre Pflicht zu erinnern, tuschelte aber mit dem Sekretär, der wütende Grimassen machte und auf dem Sprung nach der Tür
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