Novemberasche
etc.?«
»Es hört sich so an, als hättest du große Erfahrung mit ›etc.‹.«
»Schön, dass du dir deinen Humor bewahrst.«
»Frau Traubinger ist heute nicht gekommen. Sie hat gestern etwas Merkwürdiges zu Anna gesagt. ›Irgendwann ist mal Schluss.‹«
»Das hat sie gesagt? Und was meint sie damit?«
»Das werde ich im nächsten Gespräch mit ihr klären.«
Eine Weile war es still. Dann fragte Barbara vorsichtig: »Meinst du nicht, deine Schwester bräuchte eventuell …«, sie räusperte sich, »professionelle Hilfe?«
Sommerkorn spürte, wie sich ihm die Nackenhaare aufstellten. Barsch fragte er: »Du meinst jetzt aber nicht, dass ich irgendeinen
Psychologen anrufen soll, der dann feststellt, dass sie in ihrer Kindheit ein traumatisches Erlebnis hatte, als ich ihr die
Bauklötze weggenommen habe.«
Barbara musste widerwillig lachen. Ernst fuhr sie fort: »Nein. Das meine ich nicht. Das traumatische Erlebnis, das deine Schwester
zu verarbeiten hat, liegt nicht ganz so lange zurück.«
»Ja, ja, aber ich glaub halt trotzdem nicht, dass so ein … Psycho da was machen kann.«
»Es geht hier ja auch nicht um dich, mein Lieber«, sagte Barbara bestimmt. »Und ja, ich weiß, du hältst nicht vielvon Psychotherapie, aber in diesem Fall geht es um eine Frau, die ihren Mann auf entsetzliche Weise verloren hat und sich
anscheinend selbst nicht zu helfen weiß.«
Sommerkorn brummte. Seit seine frühere Frau Arlene sich in ihren Psychotherapeuten – Gregor – verliebt hatte und ihn wegen dieses Losers auch noch verlassen hatte, war alles, was im Entferntesten mit dem Begriff
»Psycho« in Verbindung stand, für Sommerkorn ein rotes Tuch.
»Am Ende rätst du mir noch, ich solle Norman Bates anrufen.«
Norman Bates war Sommerkorns spezieller Name für Gregor, den Psychiater, Psychotherapeuten oder was auch immer er nun war.
»Wäre eine Möglichkeit. Vielleicht kann er dir irgendwie raten.«
Sommerkorn brummte erneut.
»Wir haben hier eigentlich noch ganz andere Probleme. Wie’s aussieht, ist Paula komplett pleite.«
»Was?«
»Ja, Eriks Firma steht vor dem Aus. Auf dem Haus ist schon eine Hypothek, und die beiden lebten in Gütergemeinschaft.«
»Andreas«, sagte Barbara eindringlich. »Ich glaube wirklich, du solltest Hilfe in Anspruch nehmen …«
Eine halbe Stunde später lag Paula immer noch regungslos auf dem Sofa, und alle Versuche, sie zum Reden zu bewegen, waren
gescheitert. Sommerkorn griff erneut nach dem Telefon. Sowohl Frau Traubingers Festnetzanschluss als auch ihre Handynummer
waren gespeichert. Es klingelte sechsmal, bevor sie sich meldete.
»Traubinger.«
»Sommerkorn hier, Frau Brandauers Bruder«, fügte er absurderweise hinzu.
»Ich weiß, wer Sie sind.« Frau Traubinger klang bissig.
»Ich wollte mich nach Ihren Arbeitszeiten hier im Haus erkundigen. Meiner Schwester geht es immer noch sehr schlecht, und
ich muss mich organisieren.«
Schweigen.
»Ja, also, ich wollte fragen, ob wir uns vielleicht … abstimmen könnten.«
Ein Schnauben am anderen Ende. Dann lachte Frau Traubinger auf. »Sie sind gut.«
»Wie darf ich das verstehen?«
»Schauen’s, Herr Sommerkorn. Mir tut das alles ganz entsetzlich leid. Sie tut mir leid und die Kleinen natürlich. Aber ich
habe einen krebskranken Mann, den ich versorgen muss, und es ist nun einmal so, dass man von freundlichen Worten nicht abbeißen
kann. Ich habe jetzt seit über drei Monaten kein Gehalt mehr bekommen, mein Mann wird immer gebrechlicher, wir haben keine
Rücklagen, ich muss die Miete bezahlen und das Auto finanzieren …« Frau Traubinger redete immer schneller und immer lauter.
Sommerkorn stoppte ihren Redefluss: »Sie haben seit drei Monaten kein Geld mehr bekommen?«
»Sie haben gute Ohren …«
»Weiß meine Schwester davon?«
»Ein paar Tage vor seinem Tod hat Herr Brandauer mich noch einmal vertröstet … Er suche eine Lösung. Ich solle mich noch ein bisschen gedulden.«
»Aber Paula … Wusste meine Schwester, dass Ihr Gehalt überfällig war?«
»Hm … wahrscheinlich nicht. Und als das mit Herrn Brandauer passierte, da hab ich natürlich nicht vom Geld anfangen wollen. Aber
schauen’s. Ich habe jetzt eine neue Stelle gefunden. Da bin ich auch gerade. Drum muss ich jetzt Schluss machen und weiterarbeiten.
Wenn Sie mich entschuldigen.«
Lügenhäuser
Im Netz finden sich unzählige antisemitische, holocaustleugnende Texte, Bilder und
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