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Novemberasche

Titel: Novemberasche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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bissiger, als sie beabsichtigt hatte.
    »Ich habe gute Neuigkeiten für Sie«, flötete es am anderen Ende der Leitung. »Wir haben uns für Sie entschieden. Wir machen
     die Ausstellung mit Ihnen.«
    »Sie machen die Ausstellung mit mir«, wiederholte Marie tonlos. Was redete diese Frau da? Für einen Aprilscherz war es ja
     schon reichlich spät.
    »Ja, freuen Sie sich denn gar nicht?«
    »Doch, doch, natürlich. Es ist nur   … Ich hatte gar nicht mehr damit gerechnet.«
    »Aber so viel Zeit ist doch nicht vergangen!«
    »Das nicht   … Nur schienen Sie bei unserem Treffen im
Marmorsaal
nicht gerade sehr angetan von meiner Arbeit   …«
    Helen Kattus lachte. »Natürlich mussten wir erst zu einer endgültigen Entscheidung kommen. Und bis dahin wollte ich keine
     falschen Hoffnungen wecken.«
    Langsam kam Leben in Marie. Sie würde eine Ausstellung in einer der besten Galerien Deutschlands machen, sie, Marie Glücklich,
     und das mit Arbeiten, die eigentlich aus der Not heraus entstanden waren.
    »Wir würden gerne eine riesige Wand nur mit den Seestücken machen. Wie viele haben Sie?«
    »Ich weiß gar nicht genau, so zwischen dreißig und vierzig. Einige sind aber noch nicht ganz fertig.«
    »Wir brauchen mindestens fünfzig. Bis Anfang Januar müssten wir sie haben.«
    Marie schluckte. Das war   … wunderbar und schrecklich zugleich. Sie musste also mindestens zehn neue Bilder fertigen und einige ihrer alten noch zu
     Ende bringen.
    »Das wird den einen Teil ausmachen. Und dann hätten wir da noch eine Idee. Wir könnten auch Ihre anderen Bilder zeigen – die
     großformatigen Arbeiten in Acryl, die Sie mir auf den Fotos gezeigt haben. Die müsste ich dann natürlich so bald wie möglich
     im Original sehen.«
     
    *
     
    »Also ist Leander Martìn definitiv nicht von der Schule verwiesen worden.«
    »Nein, ist er nicht. Wir haben uns darauf geeinigt, dass ein Schulwechsel für den Jungen das Beste sei.«
    Sommerkorn betrachtete die Salemer Direktorin, die Barbara und ihm gegenübersaß. Sie war ruhig und ernst, ihre Stirn hatte
     sie in Falten gelegt. Eine Frau um die vierzig, sehr gepflegt und dezent geschminkt, in einem grauen Kostüm.
    »Es hatte also keine Konflikte mit dem Jungen gegeben?«
    Die Direktorin antwortete nicht gleich, sie schien ihre Worte genau abzuwägen.
    »Herr Kommissar«, hob sie zu sprechen an. »Es liegt mir nicht, um den heißen Brei herumzureden. Genauso wenig möchte ich aber
     das Leid der armen Eltern vergrößern, indem ich nun Geschichten über ihren toten Sohn zum Besten gebe.« Sie legte eine Pause
     ein, sah von Barbara zu Sommerkorn und fuhr dann fort. »Daher werde ich mich darauf beschränken, Ihnen zu berichten, was ich
     weiß. Und das ist im Grunde nicht viel.«
    Die Direktorin lehnte sich zurück.
    »Leander gehörte zu unseren besten Schülern. Ob er beliebt war, weiß ich nicht. In seinen letzten Wochen in Salem hat es einige
     Vorkommnisse gegeben. Leander war ein guter Segler und ist oft mit einem der schuleigenen Segelboote auf den See hinausgefahren.
     Zudem sollten Sie indiesem Zusammenhang wissen, dass es den Schülern untersagt ist, im Hafen und selbstverständlich auf den Booten Alkohol zu
     konsumieren. Also – an einem Sonntagnachmittag im Mai ist Leander mit einem Mitschüler hinausgesegelt. Der Mitschüler hat
     Alkohol getrunken, Leander nicht. Was dann geschehen ist, nun, das wissen wir nicht, hier steht Aussage gegen Aussage.«
    Die Direktorin nahm einen Schluck Wasser, stellte das Glas ab und hielt es noch einen Moment umschlossen.
    »Leander sagte aus, Liam habe sich hoffnungslos betrunken und sei dann über Bord gestürzt. Er habe ihm daraufhin sofort den
     Rettungsring zugeworfen und Liam dann wieder an Bord gehievt. Das war die eine Aussage. Die andere, Liams Version, sieht ein
     wenig anders aus. Er behauptete, Leander habe ihn gestoßen.«
    Sommerkorn und Barbara wechselten einen Blick. Die Direktorin beobachtete die beiden aufmerksam.
    »Das ist natürlich starker Tobak«, sagte sie. »Aber beweisen ließ sich das nicht. Außerdem: Warum hätte Leander so was tun
     sollen?«
    »Ja, warum?«, fragte Barbara und fixierte die Direktorin. »Um ihn anschließend herauszuziehen. Das ergibt doch keinen Sinn.«
    »Liam muss sich doch dazu geäußert haben, was für einen Grund Leander gehabt haben könnte, ihn über Bord zu stoßen.«
    »Leander habe ihn ein – ich zitiere – ›versoffenes, verkommenes Stück Scheiße‹ genannt und ihm

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