Novemberasche
wollen ja auch ein bisschen Abwechslung. Und über das Waldbett könntet ihr die kleinen Pilze hängen, die ihr im Kindergarten
gebastelt habt. Als Mobile. Das würde doch gut passen.«
» Ich
will das Waldbett«, rief Anna sofort.
Sommerkorn musste lachen. »Ich wusste gar nicht, dass du mal im diplomatischen Dienst warst.«
»Eher im psychologischen. Jahrelange Erfahrung mit einem vorschnell beleidigten Partner.« Marie verstummte. Das hatte sie
gar nicht sagen wollen.
Sommerkorn betrachtete sie überrascht. Marie hatte noch nie von ihrem Verflossenen gesprochen, weder positiv noch negativ.
Sie sprach generell nicht viel von sich.
»Ich mache die Ausstellung nun doch«, sagte sie.
»Wie das?«
»Das würde ich auch gern wissen.«
»Tja, dann gratuliere! Das ist doch toll, oder?«
»Ja, schon. Natürlich.«
»Du scheinst dich aber nicht sehr zu freuen.«
»Doch, doch … das ist eine Riesenchance. Nur … Das bedeutet auch eine Menge Arbeit. Gerade jetzt. Ich weiß nicht, wie ich das machen soll.«
»Da müssen wir eine Lösung finden.«
»Ich hoffe, dass es Paula bald besser geht.«
»Ja, das hoffe ich auch.«
Sie wechselten einen Blick, und Marie fand, dass er nicht sehr überzeugt wirkte.
»Du wolltest etwas sagen vorhin.«
»Ah ja … dieser Fall. Obwohl es inzwischen schon zwei Fälle sind. Ich kann jetzt schwer Urlaub bekommen.«
Marie holte einen roten Filz-Untersetzer aus dem Schrank und stellte die Teekanne darauf.
»Was sind denn das für Fälle?«
»Sicher hast du davon in der Zeitung gelesen. Dieser siebzehnjährige Schüler …«
Marie schüttelte den Kopf. »Zu viel zu tun.«
»Ein Siebzehnjähriger, Leander Martìn, ist umgebracht worden. Ein Schüler des KMG.«
Marie blickte auf. »Von unserer alten Schule?«, fragte sie entsetzt.
Sommerkorn nickte. »Ja. Irgendwie ist’s anders, wenn man einen persönlichen Bezug zu etwas hat.«
Marie schwieg und schenkte Tee ein, der leuchtend rot in die Tassen floss. Sie stellte die Kanne ab.
»Habt ihr schon eine Spur?«
»Ein zweiter Schüler, Matthias Wölfle, der beste Freund von Leander Martìn, ist vor wenigen Tagen verschwunden.«
»Was ist denn das für eine Geschichte!« Man sah Marie an, wie betroffen sie war.
»Genau das hoffen wir herauszufinden.«
Sommerkorn hob die Tasse an die Lippen. In dem Moment begann sein Mobiltelefon zu läuten. Er verbrannte sich den Mund und
unterdrückte ein Fluchen. Marie sah ihm dabei zu, wie er das Handy aus der Tasche kramte. Offenbar war es ein Anruf aus dem
Büro.
Als er wieder auflegte, sagte er nur: »Ich muss los. Zwei Zeugen haben sich gemeldet. Sieht so aus, als ob es wichtig ist.«
»Da gibt es noch etwas … Ich wollte dich fragen … Aber das ist vielleicht kein guter Zeitpunkt, wo du doch so eingespannt bist«, setzte Marie an.
»Nein, nein, so war das nicht gemeint … Nun frag doch.«
»Es geht um morgen. Ich habe einen Termin und weiß nicht, wie ich hinkommen soll.«
»Klar kannst du das Auto haben, wenn’s das ist.« Er lächelte.
»Danke«, sagte Marie und fragte sich, was er wohl dazu sagen würde, wenn er wüsste, dass sie morgen mit dem Auto nach Leutkirch
fahren wollte, um dort einen Fallschirmspringerkurs zu belegen.
*
»Erwachsene reden viel, wenn der Tag lang ist.«
»So wie Onkel Andreas vorhin … als bei dir das Telefon geklingelt hat und ich abgenommen habe und er gesagt hat, du kannst doch nicht einfach Maries Telefon
abheben. Und dann hat er selbst ewig geredet.«
»Onkel Andreas hat mit jemandem, der mich angerufen hat, gesprochen?« Marie sah überrascht auf.
»Ja, ewig lang. Als du im Schuppen warst …«
»Wer war’s denn?« Marie nahm das Nudelholz und begann den Teig auszuwellen.
Anna zuckte die Achseln. »Eine Frau.«
»Ach – und wie hieß die?«
Anna nahm ein Förmchen, das Schwein, und zuckte die Achseln.
»Ging es vielleicht um den Malkurs?«
»Hi, hi, schau mal, wie dick mein Schwein ist. Das hat ja ganz kurze Beine.« Leni kicherte.
»Hm … weiß nicht. Glaub nicht. Ist es schlimm, dass ich’s nicht mehr weiß?« Anna blickte auf. Sie hatte die Stirn in Falten gelegt.
»Nein, nein … Das ist nicht schlimm. Es ist nur … Vielleicht hat jemand abgesagt, jemand, der nicht kommen kann. Eine meiner Schülerinnen.«
»Hm.« Nun sah auch Leni auf und dachte angestrengt nach. Ihr Gesicht war zu einer Grimasse verzogen. So sah jemand aus, der
sich den Kopf zerbrach,
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